Jessen Annaburg Seyda und Elster Jessen Annaburg Seyda und Elster: Gähnende Leere in den Einkaufsstraßen

Jessen/MZ - Die Innenstädte in ländlichen Regionen verwaisen zusehends. Leer stehende Geschäfte, deren Schaufenster wie hohle Augen auf die Straße „blicken“, gibt es auch in den Orten der Jessener Region zuhauf. Ob in der Elsterstadt, in Annaburg, in Elster oder Seyda, die Infrastruktur des Einzelhandels schrumpft zusammen. Zwar kommt hier und da Bewegung ins Geschehen, doch die Tendenz ist nicht unbedingt ermutigend. Zumal in einigen Orten in der jüngsten Vergangenheit Händler lediglich den Platz wechselten und mit ihrem Geschäft in andere, frei gewordene Räume zogen. Dafür stehen nun die bisherigen leer oder werden es bald.
Die Stadtverwaltungen sind zutiefst daran interessiert, den Einwohnern und Gästen attraktive Einkaufsmöglichkeiten zu bieten. Doch Interessenten oder gar Investoren stehen nicht eben Schlange vor den Türen der Eigentümer der meist privaten Ladenlokale.
Zweimal im Jahr ein Thema
„Der Leerstand an Geschäften in der Stadt ist schon ein Punkt, den wir zwei Mal im Jahr mit den Eigentümern besprechen“, bekundet Annaburgs Vize-Bürgermeisterin Anja Liebig. „Die Kontakte sind da.“ Doch mehr, als vermittelnde Unterstützung anzubieten, wenn sich Interessenten bei der Verwaltung melden und bestehende Anfragen in gewünschte Richtungen zu lenken, vermag die Stadtverwaltung nicht zu leisten, lässt Anja Liebig erkennen. Aber auch, „dass im Moment wenig Interesse daran herrscht“, ein neues Geschäft zu eröffnen.
Auch in der Schloss- und Heidestadt „gähnen“ mittlerweile einige leere Schaufenster auf den Gehsteig hinaus: so das frühere Café an der Volksbankfiliale, das Ladenlokal nur wenige Schritte weiter in Richtung Markt, einige Geschäfte in der Torgauer Straße, der frühere Kondi-Markt - vom großen Objekt der Fleischverarbeitung ganz zu schweigen -, die Liste ist sicher nicht vollständig.
In einer Studie, die das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung 2009 veröffentlichte und in der die Nachbarkreisstadt Herzberg eine von mehreren diesbezüglich untersuchten Kleinstädten im Land war, wird vor allem das Fehlen „klassischer Frequenzbringer“, wie Kaufhäuser beklagt. Dafür betrachtet die Studie insbesondere Möglichkeiten, wie die vorhandenen infrastrukturellen Potenziale gestärkt und ausgebaut werden können.
Gut gepunktet
Kommunikation und einer gemeinsamen Strategie der Einzelhändler in Zusammenarbeit mit den Verwaltungen in Kleinstädten wird da großer Stellenwert beigemessen. Die Jessener Innenstadthändler können diesbezüglich schon ganz gut punkten. Neben einzelnen kleineren Aktionen lockt der Erlebniseinkauf in der Langen Straße Ende September, Anfang Oktober alljährlich Hunderte von Besuchern an. Stets unter einem bestimmten Motto stehend, sind die Läden für dieses Ereignis kreativ und einladend dekoriert. Und die Stimmung ist, wie oft berichtet, jedesmal toll. Auch solche Aktionen machen das Angebot für die Kunden in Kleinstädten attraktiv. Eine erwartungsfrohe Kundschaft bietet dann auch die Chance, dass sich neue Fachhändler ansiedeln.
Doch es gibt weitere Möglichkeiten, das Geschäftsleben kleinerer Städte anzukurbeln. Ein Blogger im Internet berichtete etwa, dass in einer englischen Stadt in den Schaufenstern der leeren Geschäfte Kulissen aufgebaut würden, die aufzeigten, welche Arten von Läden dort sinnvoll wären. Die Sache sei so gut angekommen, dass diese Schaufenstergestaltungen nicht verschwanden, sobald ein Geschäft wieder belebt wurde, sondern gleich im nächsten Schaufenster platziert worden seien.
City-Management wäre gut
Die Autoren der brandenburgischen Untersuchung kommen bei der Beurteilung des Ist-Zustandes auch zu der Erkenntnis, dass es in Kleinstädten oft „an personellem oder finanziellem Know-how für ein City-Management oder ähnlichen festen Organisationsstrukturen“ fehle.
Jessens CDU-Bürgermeister Dietmar Brettschneider erklärte schon vor zwei Jahren zum Thema Leerstand: „Wir haben versucht, die Innenstadt so lange wie möglich attraktiv zu halten.“ Zum Beispiel dadurch dass Supermärkte und Discounter sich innerhalb der Stadt ansiedeln mussten und nicht auf der grünen Wiese neu bauen durften. Als Beispiele nannte er den Aldi-Markt und das Elster-Center. Letzteres hat allerdings als Supermarkt seit Ende 2011 ausgedient. Davon können die beiden noch aus Urzeiten verbliebenen Geschäftsleute Ellen Fichte (Reisebüro) und Kerstin Ziehe, Nachfolgerin des aus Anfangszeiten bestehenden Blumengeschäftes, ein Lied singen.
Zwar hat sich mit Werners Preisinsel inzwischen wieder ein Markt angesiedelt, der für Käuferfrequenz sorgt. Aber die Lücke, die der Wegzug eines Allround-Supermarktes wie Edeka an diesem Standort gerissen hat, ist schwer zu schließen. Dessen Fläche war zwischenzeitlich kurz an einen Spediteur vermietet, was zwangsläufig nicht unbedingt für Kundenfrequenz sorgte. Momentan steht sie erneut leer.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Wünschenswert wäre hier, wieder eine deutlich kundenträchtigere Nutzung anzubieten. Das wünschten sich auch Kerstin Ziehe und Ellen Fichte, wie sie am Dienstag der MZ antworteten. Ein Besuch des Chefs vom Frankfurter Büro des Immobilienfonds als Besitzer vor Ostern im Elster-Center stimmt sie jedoch hoffnungsvoll, dass sich in absehbarer Zeit in Bezug auf eine neue Nutzung der leerstehenden Flächen tatsächlich etwas tut.
Wie berichtet, zog derweil Jeanshändlerin Simone Büttner („Alcatraz“) gegenüber dem Elster-Center an der Ecke zur Lindenstraße die Konsequenz und suchte sich neue Räume am Jessener Höfchen. Hier ist „ringsum viel Bewegung durch die benachbarten Geschäfte“, begründete sie ihren Entschluss. Im alten Laden werden noch die letzten Rester verkauft.