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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Geheimnis unter 40 Kilo Stroh

Von Kathrin Labitzke 27.12.2011, 17:01

Braunschwende/MZ. - Wer am Dienstag durch die kleine Harzgemeinde Braunschwende fuhr, hat sich bestimmt über das viele Stroh gewundert, das verteilt auf Fußwegen, Straßen oder vor Häusern lag. Nein, die Einwohner des Ortes haben keine verspätete Ernte eingefahren, sondern ihr Erbsbär-Fest gefeiert. Dahinter verbirgt sich eine uralte Tradition, bei der eine zottelige Gestalt im Strohkostüm die Hauptrolle spielt.

Der Erbsbär zieht von Haus zu Haus und bittet junge Frauen und unverheiratete Mädchen zum Tanz. Als Belohnung spenden die Einwohner der kleinen Harzgemeinde dem Bären und dessen Führer meist alkoholische Getränke und Eier, die gemeinsam in der Dorf-Gaststätte verzehrt werden.

Umzug mit Musik durch Ort

Was genau hinter der alten Tradition steckt, weiß im Ort heute niemand mehr so richtig. "So lange ich denken kann, zog immer am dritten Weihnachtsfeiertag der Bär durch unsere Straßen", erinnert sich Otto Buchmann. Inzwischen hat der Rentner die Organisation des Festes an seine Nachfahren weitergegeben.

Das Gewand des lustigen Gesellen besteht ausschließlich aus Erbsstroh. Daher rührt auch der seltsame Name Erbsbär. Im Sommer lagert Familie Buchmann dieses besondere Stroh in ihrem Hof ein und organisiert sich von benachbarten Bauern weitere Ballen. "Das Stroh wird nicht einfach nach Lust und Laune angebracht, sondern es bedarf einer besonderen Wickeltechnik", erzählt Enkelsohn Enrico Buchmann. Und diese Technik hat es auch in sich, denn der junge Mann darf als Bär verkleidet von den Einwohnern nicht erkannt werden. "Opa überwacht deshalb genau die Wickeltechnik", sagt er.

Seit dem frühen Morgen saßen am Montag vier Freunde im Gehöft der Familie Buchmann und drehten das Erbsenstroh in lange Rollen, bevor es dann Schicht für Schicht an dem "Erbsbären" Benjamin Böhme befestigt wurde. Diese Prozedur dauerte allein über zwei Stunden, wobei der Auserwählte immer mehr die Gestalt eines Bären annahm. Obwohl es nur aus Stroh besteht, wiegt das Kostüm rund 40 Kilo. Lediglich einen kleinen Schlitz für die Augen und eine winzige Aussparung zum Atmen hatte der 20-jährige Single.

Und damit keine Unfälle passieren, bekam er eine Kette um den Bauch. Bärenführer war diesmal Fabian Saar. Nach Fertigstellung des Kostüms begann, begleitet von der Schalmeienkapelle Molmerswende, der Umzug durch den 500-Seelen-Ort. Um das Geheimnis so lange wie möglich zu bewahren, wer unterm Erbsstroh steckt, hatte der Bär striktes Sprechverbot.

Verein hat Pause beendet

"Da wir leider nur noch wenig Jugend im Ort haben, besuchen wir natürlich auch junge Ehepaare", so Matthias Buchmann, der die Tradition des Festes mit aufrecht erhält.

Nachdem das letzte Haus "heimgesucht" war, trafen sich alle Teilnehmer des Umzuges in der Dorfgaststätte, um den Bären "zu schlachten". Dabei wurde der junge Braunschwender nach und nach vom Stroh befreit, bis das in der Gemeinde gut gehütete Geheimnis um seinen Namen gelüftet war.

Fast 20 Jahre ruhte diese Tradition in Braunschwende. Insbesondere Matthias und Enrico Buchmann haben den alten Brauch vor vier Jahren wieder aus der Versenkung geholt. Zugleich wurde ein Kultur- und Traditionsverein aus der Taufe gehoben, der sich nun darum kümmert, dass die Tradition in dem Harzdorf nicht wieder einschläft.