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Zu Besuch bei Finsterwalder  Zu Besuch bei Finsterwalder : Ein Drehkreuz für Europa - Einblicke in eine Wunderwelt

Von Detlef Färber 13.08.2018, 04:00
Ohne Computer geht auch auf Gabelstaplern heute nichts mehr.
Ohne Computer geht auch auf Gabelstaplern heute nichts mehr. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Die Namen der beiden Straßen könnten hier kaum besser passen. Es ist der beinahe rechte Winkel aus Grenzstraße und Europa-Chaussee, in den hinein das neueste und größte Hallengebäude der Firma Finsterwalder gebaut ist: Die Ein- und Ausfahrt liegt noch in der Grenzstraße, doch schon wenige Meter später beginnt für die Fahrzeuge quasi europäische Grenzenlosigkeit - demnächst mit perfektionierter Autobahnanbindung über den Anschluss zur B100.

Doch die neue Halle des Logistikunternehmens ist etwas schneller fertig geworden als das letzte Stück der halleschen Osttangente - aber sei’s drum. Das Drehkreuz für Europa an der halleschen Europa-Chaussee steht: Unübersehbar in der Ausdehnung - und etwas geheimnisvoll in der Anmutung. Fast könnte man mit Blick auf die Laderampen für Lastwagen an das Andocken bei Raumstationen denken. Was insofern nicht ganz abwegig wäre, weil es hier durchaus um die Überwindung von oft auch großen Entfernungen geht

Finsterwalder in Halle: „Wir fahren manchmal sogar bis zum Ural und bis nach Portugal“

„Wir fahren manchmal sogar bis zum Ural und bis nach Portugal“, sagt Sven Köcke, der Unternehmenssprecher der Firma, die aus Kaufbeuren im Allgäu stammt und dort weiterhin ihren Hauptsitz hat.

Die Familienfirma hat übrigens eine einst schwer überwindbare Entfernung und Grenze zwischen Ost und West überwunden - und als Logistiker bereits zu DDR-Zeiten enge Kontakte mit der hiesigen Region gepflegt und unter anderem für Buna Speditionsdienste geleistet. Das, sagt Köcke, sei für die Firma nach der Einheit auch ein guter Einstieg im Osten gewesen - wo sie die Immobilien der Firmen Chemiehandel und VEB Kraftverkehr (staatlicher DDR-Logistiker) übernommen hat. Lange her!

Finsterwalder in Halle: Reibungslos ineinandergreifende Abläufe

Der Blick auf und in die neuen Hallen bietet nun aber eine völlig andere Welt. Fast nichts mehr erinnert an die alte Zeit des Kraftverkehrs mit manchmal gleich einem Dutzend Arbeiter, die am Ein- und Ausladen von Waren oder Material aus den Lastzügen samt ihren schwer zu rangierenden Hängern - nicht selten lautstark - beteiligt waren.

In den riesigen Hallen von Finsterwalder herrscht dagegen fast schon andächtige Stille. Was sollte man sich auch zurufen? Alles läuft wie am Schnürchen, ist vorbedacht, vorgeplant, folgt der inneren Logik eines Systems von offenbar reibungslos ineinandergreifenden Abläufen.

Finsterwalder in Halle: Einer der wenigen großen Arbeitgeber der Stadt

Dabei täuscht die Stille insofern, als hier viele Mitarbeiter beschäftigt sind. Runde Tausend am Standort Halle bei 1.600 in der Firma Finsterwalder insgesamt, sagt Köcke. Damit ist die Firma längst einer der - leider wenigen - großen Arbeitgeber in Halle.

Doch was machen die dort eigentlich? Um es kurz zu sagen, viel: Sehr viel. Ein paar Zahlen gefällig? 400 Lastkraftwagen fahren täglich bei Finsterwalder in Halle vor. Das heißt für Lagermitarbeiter, im Schnitt 8.000 Paletten an einem Tag zu bewegen. Wohin? Dafür stehen an den Standorten in dieser Stadt annähernd 100.000 Quadratmeter Lagerhallen zur Verfügung - die meisten in den erst im Frühjahr in Betrieb genommenen Hallen, im Erweiterungsbau an der Grenzstraße: Sie machen ein Drittel dieser Gesamtfläche aus.

Finsterwalder in Halle: Im „Umschlag-Lager“ gibt es nur kurze Wege

Einige der Paletten müssen allerdings nicht weit bewegt werden, denn im „Umschlag-Lager“ gibt es nur kurze Wege und knapp kalkulierte Aufenthaltszeiten. Dann geht für die Paletten (oder Teile davon), die zu neuen Paletten zusammengestellt („konfektioniert“) werden, die Reise in einem anderen, meist kleineren Lastwagen weiter - idealerweise gleich zum Endkunden.

Andere Paletten tauchen tiefer ein ins Innenleben des Logistikzentrums, werden mit eindrucksvollen, zuweilen induktionsgeführten Großgabelstaplern auf bis zu sechs Stockwerke hohe „Regale“ gehievt, um zum Beispiel bis zum Vertrieb in saisonbedingten Spitzenzeiten hier zwischengelagert zu werden.

Finsterwalder in Halle: Etwa 400 kaufmännische Angestellte

Doch dann? Wann, wohin und durch wen wird weitergefahren? Das regeln etwa 400 kaufmännische Angestellte, die teils die Lagerhaltung und teils den Einsatz der Wagenflotte europaweit dirigieren - getreu dem alten Spediteursmotto: „Keine Leerfahrten!“ Zu besagter Flotte gehören neben 260 eigenen Fahrzeugen auch 900 von Fremd-Speditionen, die im Auftrag der Spedition Finsterwalder fahren. Womit das Gesamtpaket des Unternehmens - Lager, Disposition und Spedition - vollständig genannt wäre.

Einen Hauch von alter Trucker-Romantik findet man übrigens auch noch am supermodernen Warendrehkreuz Finsterwalder. Die „Fahreranmeldung“ auf dem geräumigen (und für die bis zu 40 Tonnen schweren Groß-Lkw befahrbaren) Hof wirkt wie ein kleiner Bahnhofswartesaal. Ein Kaffeeautomat lädt zum kurzen Plausch und zum Verweilen ein. Bis dann die Wagen und die Waren wieder rollen müssen. (mz)

Großlaster an den Laderampen: Entspannte Art des Warenumschlags
Großlaster an den Laderampen: Entspannte Art des Warenumschlags
Lutz Winkler
Blick von der Galerie in eine der riesigen und zehn Meter hohen Warenlagerhallen.
Blick von der Galerie in eine der riesigen und zehn Meter hohen Warenlagerhallen.
Lutz Winkler