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Sisyphus-Arbeit im Trödelladen

Von PETER GODAZGAR 20.07.2009, 14:48

HALLE/MZ. - Christoph Wieczorek sitzt in einem der Regieräume der halleschen Metrix Media GmbH, einem der bundesweit gefragtesten Unternehmen für die so genannte Audio-Postproduktion, also die Nachvertonung von Kino- und Fernsehproduktionen. Im benachbarten Aufnahmeraum läuft der Hamburger Geräuschemacher Martin Langenbach gerade auf der Stelle. Auch auf den Monitoren in den beiden Räumen laufen Menschen hin und her - völlig lautlos allerdings. Wieczorek und Langenbach geben den Schauspielern sozusagen ihre Schritte zurück.

"Das ist der absolute Traum"

Christoph Wieczorek ist gerade mal 23 Jahre alt, aber über seine derzeitigen Arbeitsplatz sagt er: "Das ist der absolute Traum." Manchmal wundert er sich selbst, wie glatt alles gelaufen ist. In Köthen studierte er Medientechnik, zwischendurch machte er ein Praktikum bei Metrix. Dort war man offenbar zufrieden mit dem jungen Mann, denn seit dem Ende des Studiums hat Wieczorek an zahlreichen Film-Projekten mitgearbeitet; unter anderem war er auch bei der internationalen Großproduktion "The Last Station" dabei.

Die Geräusche eines Films nachzuvertonen - "in gewisser Weise ist das eine undankbare Kunst", sagt Wieczorek. Während es die Kollegen vom Sounddesign richtig krachen lassen, dürfen die Geräusche im Film idealerweise nicht auffallen.

Und doch sind die Geräusche sehr wichtig - stimmen sie nicht, so fällt das sofort auf. Genau das ist der Grund, warum in billigen Fernsehproduktionen die Papp-Türen so klapprig klingen. Am Drehort von millionenschweren Produktionen klingen sie auch nicht besser - für den satten Wumms sorgt aber später der Geräuschemacher.

Derzeit sind Wieczorek und Langenbach mit den Klängen für den Film "Boxhagener Platz" beschäftigt, den neuen Kinostreifen von Matti Geschonnek, unter anderem mit Jürgen Vogel, Meret Becker und Michael Gwisdek. Gerade sind die Tonmacher bei einer Szene in einem Friseurladen angelangt.

Eine Minute und 15 Sekunden dauert sie - eine gute halbe Stunde ist nötig, um alle Geräusche neu aufzunehmen: zunächst die Bewegungen der Personen, das Rascheln der Kleider und des Friseurkittels, danach in unzähligen, oft nur sekundenkurzen Arbeitsgängen die Schritte der beteiligten Personen, anschließend Hintergrundgeklapper von Schere und Kamm - bis zu 16 Geräuschspuren werden am Ende in einer Szene übereinander gelegt. Plus Dialog. Plus Musik. Plus Sound, also jenen Klängen, die aus Geräuscharchiven kommen.

Herzstück ist der rund 30 Quadratmeter große Aufnahmeraum. Er sieht aus, wie das Hauptlager eines Trödelhändlers. Das Zimmer ist vollgestopft mit: alten Schuhen, einer Motorhaube, einer Schreibmaschine, Telefonen, Brettern, Flaschen, Ästen, Geschirr, einem Werkzeugkasten, Styropor, einer Gießkanne, Körben, Eimern, einem alten Fahrrad, Koffern, einem Wasserhahn samt Becken, Stühlen, Kissen, einem Bügelbrett, einem Skateboard - und natürlich: mit einem Monitor, Lautsprecherboxen und Hightech-Mikrofonen.

"In echt klingen die Sachen oft nicht so gut", sagt Wieczorek. Und manchmal führen auch ganz ungewöhnliche Mittel zum Ziel. Ein Autoreifen auf einem Kiesweg? Entsteht durch einen Boxhandschuh, den der Geräuschemacher langsam über den Boden reibt. Ein sprühender Wasserschlauch? Klingt täuschend echt, wenn man leicht mit den Fingern über Styropor fährt.

Auch wenn der Computer aus dem Filmgeschäft nicht mehr wegzudenken ist - der Geräuschemacher bleibt wichtig. "Das Leben in den Tönen kann der Computer nicht simulieren", sagt Martin Langenbach. Das gilt selbst für die berühmten Pixar-Filme ("Toy Story", "Findet Nemo", "Wall-E"), die komplett am Computer entstanden sind. Die Schritte der animierten Figuren aber, die stammen von Geräuschemachern.

Unfreiwillige Pause

Auch in der Filmbranche gilt indes: Der Zeitdruck wird immer größer. Manchmal aber sorgt auch nur die extrem empfindliche Aufnahmetechnik dafür, dass die Arbeit unterbrochen werden muss: "Wenn der Geräuschemacher Hunger bekommt, hab ich ein Problem", sagt Christoph Wieczorek. "Dann hab ich das Magenknurren mit auf der Aufnahme. Und dann müssen wir 'ne Pause machen."