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Pilotprojekt der Kirchen Pilotprojekt der Kirchen: "Lebenswende-Feiern" ohne Religionszugehörigkeit

Von Detlef Färber und Gert Glowinski 27.06.2016, 09:00
Das Kruzifix an der Wand
Das Kruzifix an der Wand Lukaschek

Halle (Saale) - Katholische und evangelische Kirche haben in Halle mit einem Experiment begonnen: Beide Kirchen gemeinsam bieten Jugendlichen ohne Religionszugehörigkeit so genannte „Lebenswende-Feiern“ an - ein Pendant zu Jugendweihe und Konfirmation. Ein Experiment, das in halleschen Kirchengemeinden schon vor Jahren begonnen hat und nun in einem bundesweit einmaligen Übereinkommen im Rahmen einer ökumenischen Zusammenarbeit mündet.

Und das sieht zum Beispiel so aus: Junge Hallenser, schick herausgeputzt und meist von einem oder zwei Dutzend Angehörigen begleitet, treten in der halleschen Moritzkirche symbolisch ein in die Welt der Erwachsenen - und das mit einem eindrucksvollen Ritual: Ein selbst gewähltes Symbol der eigenen Kindheit, oft ein Kuscheltier, wird feierlich abgegeben. Dafür bekommen die Jugendlichen eine Kerze - als Licht für den künftigen Lebensweg - in die Hand. Und sie richten anschließend selbst gewählte Worte an die Festgäste.

Jahrtausendwende

Was zur Jahrtausendwende noch ganz bescheiden - als Initiative des Schulseelsorgers Christoph Kunz aus dem hiesigen katholischen Elisabeth-Gymnasium - begonnen hatte, bekommt nun eine feste Form in Gestalt einer neuen Vereinbarung.

Hans-Jürgen Kant, Halles evangelischer Superintendent, und sein katholischer Amtskollege, Dechant Magnus Koschig, haben einen Vertrag über die künftige Zusammenarbeit bei einem Projekt unterzeichnet, das als Pilotprojekt gilt. Und das, wie Kant hofft, „eine Art hallescher Exportschlager“ werden könnte, weil man sich auch schon in vielen anderen Städten dafür interessiere. Und das inzwischen enorme Zuwächse zu verzeichnen habe.

26 junge Leute

Nachdem ursprünglich bei nur einer Feier 26 junge Leute ihren Jugendstart begingen, wurden in diesem Frühjahr bereits 540 gezählt. Für sie mussten (oder konnten) immerhin schon 21 Feiern ausgerichtet werden. Und noch einmal eine bedeutende Steigerung zeichnet sich hierbei bereits für das Jahr 2017 ab, indem sich 620 Jugendliche für die Lebenswende-Feier in der Moritzkirche angemeldet haben. Das Angebot dieses halleschen Pilotprojekts sei „ein ganz wichtiges Signal in die Gesellschaft hinein“, sagt Dechant Koschig - dahingehend, dass „auch in einer stark entkirchlichten Gesellschaft“ die Kirche Angebote für alle macht. Es sei wichtig zu zeigen, dass „die Kirche etwas tut, das die Gesellschaft braucht“, so Koschig.

Doch um das, was die Gesellschaft braucht, auch zu leisten, bedurfte und bedarf es auf Seiten der Kirchen einer ziemlichen Anstrengung, die sie nun auch personell gemeinsam bewältigen wollen. Etwa, indem sie jeweils eine Stelle dafür schaffen. Schließlich gelte es hier, wie Kant erläutert, nicht nur jeweils eine Feierstunde auszurichten, sondern auch zuvor einige Vorbereitungsabende für die Jugendlichen. Und begleitend hierzu einen Elternabend im Vorfeld zu veranstalten.

Über Werte sprechen

An diesen Vorbereitungsabenden werde dann „auch über Werte gesprochen“ - und über das, was das künftige Leben ausmachen könnte.

Das Anliegen, ein solches „Ritual für alle“ anzubieten, sei übrigens von außen an die Kirchen herangetragen worden, sagt Kant. Es habe auch damit zu tun, dass neben der Konfirmation und Firmung in den Kirchen und der Jugendweihe sowie Jugendfeiern bei freien Anbietern „ein Drittel der Jugendlichen“ den Anlass derzeit gar nicht feiern. Was sehr schade sei.

Kritisch sieht das Angebot der Jugendweihe Deutschland e. V. „Das zeigt, dass die Kirche nicht mehr ausreichend getaufte Jugendliche vorzuweisen hat“, sagte Konny G. Neumann von dem Verein. Allein in Sachsen-Anhalt würden rund 8.000 junge Leute Jugendweihe feiern - davon 1.000 in Halle. Die „Lebenswende-Feiern“ der beiden Kirchen seien Teil einer Strategie, verlorenen Boden im Osten zurückzugewinnen, so Neumann. Zudem koste das Angebot der Kirchen in der Regel nur halb soviel wie die klassische Jugendweihe.

Halles Superintendent Hans-Jürgen Kant dagegen sagte, die Menschen würden spüren, dass es der Kirche mit solchen Angeboten nicht darum gehe Leute zu „rekrutieren“, sondern dass es auch Aufgabe der Kirche ist, Menschen zu begleiten.

(mz)