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Orgellehrer aus Tradition

Von SILVIA ZÖLLER 07.06.2010, 17:57

HALLE/MZ. - Und auch Manfred Schwendner erhält als Orgelschüler vom heutigen Marktkirchen-Organisten Irénée Peyrot viele wichtige Tipps - doch er zählt immerhin schon 28 Lenze.

Bis heute wird in Halle die Tradition aufrechterhalten, dass der Organist der Marktkirche sein Wissen an Schüler weitergibt. "Er bringt mir bei, eine eigene Musikalität zu entwickeln", sagt Schwendner, der an der evangelischen Kirchenmusikhochschule studiert, wo Peyrot auch als Dozent für Orgel unterrichtet.

Die Liste der halleschen Lehrer-Schüler-Duos ist lang, hier einige Beispiele: Zachow unterrichtete neben Händel auch Gottfried Kirchhoff, der 1714 dessen Nachfolger als Organist in der Marktkirche wurde. Daniel Gottlob Türk gab von 1787 bis 1813 die Musik in der Marktkirche vor und unterrichtete als Universitätsprofessor in Halle auch seinen Nachfolger Johann Friedrich Naue.

Wenn Peyrot und Schwendner zusammen an der großen Schuke-Orgel stehen, geht es natürlich um Noten, Musik und Interpretation. "Aber man muss auch mehr vermitteln als nur Töne. Wir reden oft über Gott und die Welt", ist das Credo des aus Lyon stammenden Musikers, der damit an die Tradition von Zachow anknüpfen will. Obwohl dieser kein bedeutender Kantor gewesen sei, so Peyrot, sei Zachow musikalisch sehr aufgeschlossen gewesen und habe Händel mit seiner vielfältigen internationalen Notensammlung bekannt gemacht.

Übrigens stimme die Geschichte nicht ganz, dass Zachow dem jungen Händel an der Marktkirchenorgel das Musizieren beigebracht habe: "Es ist richtig, dass Händel auch an der kleinen Orgel gespielt hat. Aber vermutlich hat er eher in Zachows Wohnung an einem Pedalcembalo geübt", so der 37-Jährige. Denn damals, gegen Ende des 17. Jahrhunderts, sei es nicht erlaubt gewesen, in der Kirche zu üben. Das Gotteshaus sei damals allein dem Beten und Gottesdiensten vorbehalten gewesen.

Vermutlich bestand diese Regel auch noch zu Zeiten Wilhelm Friedemann Bachs, der ab 1746 genau 18 Jahre lang Kantor der Marktkirche war. Der älteste Sohn Bachs schrieb zahllose Werke, die zum Teil verschollen sind. Doch was erhalten ist, konnte man in letzter Zeit häufig in der Marktkirche bei Proben hören: Anlässlich des 300. Geburtstags Wilhelm Friedemann Bachs hat Peyrot eine Musikreihe für seinen Amtsvorgänger auf die Beine gestellt, die während der Händelfestspiele zu hören ist. Täglich ab 12 Uhr spielt er eine halbe Stunden lang Werke des "halleschen Bach" und weiterer Kantoren aus Halles Vergangenheit.

Wer dagegen Manfred Schwendner an der Orgel hören möchte, muss sich bis zum 19. Juni gedulden - dann spielt er um 12 Uhr die Orgelmusik am Samstagmittag.

Marktkirche, täglich 12 Uhr während der Festspiele: Irénée Peyrot spielt Orgelwerke seiner Amtsvorgänger Scheidt, Zachow und Friedemann Bach. Eintritt frei.