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OB-Kandidat Bernd Wiegand OB-Kandidat Bernd Wiegand: Der Dauerläufer

Von Dirk Skrzypczak 07.10.2019, 04:00
Wenn es passt, fährt Oberbürgermeister Bernd Wiegand auch mit der Straßenbahn zur Arbeit.
Wenn es passt, fährt Oberbürgermeister Bernd Wiegand auch mit der Straßenbahn zur Arbeit. Silvio Kison

Halle (Saale) - Fünf Grad Celsius zeigt das Thermometer an diesem Morgen. Oberbürgermeister Bernd Wiegand trägt die legere Jacke offen. Der Weg führt ihn in der Seebener Straße in eine kleine Bäckerei am Zoo. Vier Brötchen kauft der 62-Jährige, außerdem zwei Stück Bienenstichkuchen. „Geben Sie mir bitte zwei Stückchen aus der Mitte“, sagt Wiegand. Die Verkäuferin lächelt.

„Der Kuchen am Rand des Blechs ist manchmal etwas trocken. Viele wissen das“, meint eine Kollegin. Der gebürtige Braunschweiger gehört offenbar dazu. Zu seinem ersten Termin fährt der OB danach mit der Straßenbahn: vorbei an Reichardts Garten, dem Volkspark, durch den Mühlweg, am Literaturhaus entlang und dem „Mo’s Daniel’s“ - in der Kneipe trinkt Wiegand mit Freunden gern ein Weißbier. „In dem Viertel fühle ich mich wohl. Hier bin ich auch privat unterwegs.“

Privat. Wie viele dieser Momente gibt es im Leben von Bernd Wiegand überhaupt?

Privat. Wie viele dieser Momente gibt es im Leben von Bernd Wiegand überhaupt? Seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren ist der promovierte Verwaltungsrechtsexperte in Halles Stadtgeschehen quasi omnipräsent. Der Privatmensch ist mit dem Amtsträger verschmolzen. Im Jahr reichen ihm nur wenige Tage Urlaub. „Es kommt nicht darauf, wie lange man sich eine Auszeit gönnt, sondern wie intensiv man sie nutzt. Da können zwei, drei Tage besser sein als zwei Wochen Urlaub.“

Dieser Satz passt zu einem Menschen, der sein Leben klar strukturiert und den Tagen seinen Rhythmus aufdiktiert. 5 Uhr klingelt der Wecker. Danach liest der OB die Zeitung und schnürt die Sportschuhe. Ob Treppentraining in Reichardts Garten oder die sieben Kilometer lange Joggingrunde über die Peißnitz: „Der Sport macht die Gedanken frei. Und oft finde ich beim Laufen auch Lösungen für vertrackte Situationen.“ Zähigkeit und Ausdauer - das brauche man als Politiker. 15 bis 20 Termine spult er täglich ab. Nicht selten ist erst 22 Uhr Feierabend.

Geboren ist er in Braunschweig

Geboren ist er in Braunschweig. Im kleinen Schöppenstedt unweit der Grenze hat er Fußball gespielt. Wiegand trug die Rückennummer 10, war der Strippenzieher in der Mannschaft und schaffte es mit dem TSV bis in die Verbandsliga. „Ein Kreuzbandriss beendete den Leistungssport. Da war ich 33“, erzählt er. An der DDR habe ihn vor allem die Oberliga interessiert. Dynamo Dresden war so etwas wie sein Lieblingsverein hinter dem Eisernen Vorhang, bewundert habe er aber auch den Hallenser Bernd Bransch.

Bernd Wiegand wurde 1957 in Braunschweig geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Fachhochschule in Braunschweig. Bis 1990 arbeitete er als stellvertretender Amtsleiter im Landkreis Wolfenbüttel. 1992 kam er ins Innenministerium Sachsen-Anhalts. Dort hat er den wichtigsten Kommentar zur Gemeindeordnung mit verfasst und später in Verwaltungsrecht promoviert. In seiner Zeit als OB musste sich Wiegand vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Untreue vor. Er soll drei enge Mitarbeiter in zu hohe Lohngruppen eingruppiert haben. Der heute 62-Jährige wurde sowohl vom Landgericht Halle und nach der Revision auch vom Landgericht Magdeburg freigesprochen.

Als die Mauer fiel und Verwaltungsfachleute für den Aufbau der jungen neuen Bundesländer gesucht wurden, ging Wiegand nach Sachsen-Anhalt und kehrte quasi zu den Wurzeln seiner Familie zurück. Sein Vater stammt aus dem Schachdorf Ströbeck. „Ich war kein Besser-Wessi. Alle haben mit anpackt. Diese Erfahrung hat mich geprägt.“ Wiegand arbeitete im Innenministerium und baute die Hochschule Harz mit auf. „Wir haben quasi aus dem Nichts begonnen. In dem einen Raum haben wir gemalert, im anderen Vorlesungen gehalten. Das waren aufregende Zeiten.“

2008 kam Wiegand nach Halle

2008 kam Wiegand nach Halle. Zunächst war er Beigeordneter. 2012 gewann er dann die OB-Wahl in einem knappen Rennen gegen Bernhard Bönisch (CDU). Streitbar war er schon immer, in den Konflikten mit Amtsvorgängerin Dagmar Szabados (SPD) gab er nie klein bei. Dass sich in den vergangenen sieben Jahren auch das Verhältnis zu großen Teilen des Stadtrats stetig verschlechterte, sieht er nicht so.

„Wir haben die meisten wichtigen Entscheidungen gemeinsam getroffen“, hat er mal in einem MZ-Interview gesagt. Auch hier ist Wiegand ganz pragmatisch. Eine lockere Plauderei, die das Eis brechen kann, ist nicht sein Ding. „Smalltalk braucht es nicht, wenn die Gesprächspartner gute Ideen für die Stadt haben.“

Die wichtigste Bezugsperson ist Büroleiterin Sabine Ernst

Im Ratshof hat Wiegand einen kleinen Kreis von engen Vertrauten um sich geschart. Die wichtigste Bezugsperson ist Büroleiterin Sabine Ernst. Sie weicht kaum von seiner Seite. Wiegand hat sie mit einer in Sachsen-Anhalt beispiellosen Macht ausgestattet, die so weit reicht, dass Ernst in Ratssitzungen oft für die Verwaltung antwortet. „In diesem Job ist Vertrauen unverzichtbar. Ich brauche Mitarbeiter, auf die ich mich verlassen kann. Das OB-Büro ist wichtig, weil hier alle Fäden zusammenlaufen.“

Ist in diesem Mammutprogramm noch Platz für die die Familie? Seit 40 Jahren ist Wiegand verheiratet. Er hat eine Tochter und einen Enkel. Er besuche seine Familie regelmäßig in Wolfenbüttel, sagt der OB. Aber es bringe der Job mit sich, dass die Tochter häufiger nach Halle kommt.

Zehn Fragen an den Kandidaten:

1. Was ärgert Sie an sich selbst?
Wiegand: Ich kann nicht nichts tun.

2. Welche Ihrer Vorzüge werden kaum wahrgenommen?
Wiegand: Immer ein Vermittler im Sinne der Sache zu sein.

3. Was bringt Sie zur Verzweiflung?
Wiegand: Unpünktlichkeit

4. Welche Person der Geschichte ist Ihnen sympathisch?
Wiegand: Richard Robert Rive, von 1908 bis 1933 Oberbürgermeister der Stadt Halle

5. Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Wiegand: Boris Palmer: Erst die Fakten, dann die Moral.

6. Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Wiegand: Spaghetti mit Lachs

7. Welchen privaten Traum möchten Sie sich noch erfüllen?
Wiegand: Mit dem Kanu von Leipzig nach Halle durch den Saale-Elster-Kanal paddeln.

8. Was ist für Sie Glück?
Wiegand: Eine gesunde Familie

9. Worüber haben Sie zuletzt gestaunt?
Wiegand: Über die Pläne für Deutschlands erste Wasserstoff-Flugzeuge.

10. Was würden Sie gern können?
Wiegand: Tischtennis spielen wie Timo Boll

(mz)