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Halle Halle: Lust und Frust am Filmverleih

Von Felix Knothe 26.02.2012, 19:27

Halle (Saale)/MZ. - Im Januar war Schluss. Die Automatenvideothek in der Ludwig-Wucherer-Straße machte zu - plötzlich und unerwartet. Sie ist das jüngste Glied in der Kette der Videotheken, die ihre Tore in den letzten Jahren geschlossen haben. Ob Waisenhausring oder Glauchaer Straße, Delitzscher-, Martin- oder Akeleistraße - das Netz der halleschen Verleihstationen dünnt sich aus. Allein seit 2008 hat sich ihre Zahl mehr als halbiert - ganze fünf sind noch übrig.

Die Goldgräber-Jahre dieser Branche liegen 20 Jahre zurück. Fast jeder wollte sich Hollywood ins Wohnzimmer holen - und konnte es auch. Die VHS-Kassette vom Verleih um die Ecke war der Weg. Die Jugend von heute dagegen kopiert DVDs im Handumdrehen und surft im Breitbandinternet, Filmdownload und Streamingportal inklusive. Auch Pornografie, einst ein 40-Prozent-Eckpfeiler im Videothekengeschäft, gibt es im Netz an jeder Ecke: kostenlos.

Auf einem Streifzug durch Halles letzte Videobastionen ist gut zu besichtigen, wie unterschiedlich die Konzepte sind, mit denen die Betreiber versuchen, dem Trend zu trotzen. Da ist die klassische Kiezvideothek "Videocorner" am Reileck. Enger Treppenaufgang zur ersten Etage, Blockbuster, Action- und Familienfilme in Regalreihen dicht an dicht. Seit 1993 ist Inhaber Dietmar Röhrbein im Geschäft. Seit um ihn herum ein Konkurrent nach dem anderen schließt, haben sich die Umsätze leicht erholt. Denn nördlich von ihm gibt es in Halle keine Videothek mehr. Die Kunden kommen sogar aus Petersberg. Auch weil er rechtzeitig ins neue Geschäft mit Blue Ray eingestiegen ist, kann er nicht klagen. Und seit "Erotik", wie er es nennt, nicht mehr gut läuft , überlegt er, die Erwachsenenabteilung ganz zu schließen. "Auf die fünf Prozent Umsatz kann ich verzichten. Heute retten die Kinder das Geschäft."

Als Familienvideothek will auch das "Atlantis" in der Silberhöhe wahrgenommen werden. Reinhard Noth ist der Chef der zwei Atlantis-Filialen in Halle. Sie verkörpern das Modell der großen Videothekenketten, mit dem bekannten Programm an Filmen, Videospielen und Erwachsenenabteilung. Viel Platz, immer das Neueste - aber "nur, was geht beim Kunden". Dessen Geld spielt hier die Hauptrolle. Und wenn da nicht viel im Geldbeutel ist, spürt Reinhard Noth es sofort. Die großen Ketten haben beim Einkauf Vorteile, aber auch Atlantis hat schon eine Filiale in Halle geschlossen. Eigentlich will Noth nicht klagen, mit über 10 000 Titeln pro Filiale sei er gut aufgestellt. Die Misere seines Stadtteils schwingt dennoch in jedem zweiten Satz mit: "Wenn die Jugend wegzieht, arbeitslos ist oder sich die Filme illegal im Netz beschafft, dann trifft uns das stark."

Man kann, wie Noth und die Atlantis-Kette, auf Größe setzen oder, wie Dietmar Röhrbein, darauf hoffen, als letzter im Wettbewerb übrigzubleiben. Und man kann gegen den Trend eine neue Videothek gründen. Seit 2006 gibt es den "Format-Filmkunstverleih" in der Geiststraße. Über dem geschmackvoll eingerichtetem Ladengeschäft verfällt zwar schleichend das Haus, doch drinnen herrscht ein angenehmes, offenes Ambiente. Das Zentrum bildet die Regiewand, Filme nach Regisseur sortiert - einmalig in Halle. Von Antonioni bis Zinnemann stehen hier die Filmgrößen aller Epochen.

Hier sind Cineasten am Werk. Friedemann Fanenbruck ist die eine Hälfte des Inhaber-Duos, das den Kunstfilm als Nische entdeckt hat. "Als wir aufgemacht haben, merkten wir gleich, dass gute Filme sehr vermisst wurden. Aber natürlich haben wir neben den Liebhaberfilmen auch Blockbuster."

Inzwischen ist die Sammlung auf 12 000 Filme angewachsen. Die Stärke des Ladens liegt auch am Kiez. Hier gibt es Alternativkinos, hier ist das Publikum - eine Film-Kulturlandschaft. Da schreckt auch das Internet nicht sehr: "Wir haben viele Filme, die es im Internet gar nicht gibt." Vielmehr macht das Netz den einzigartigen Laden noch bekannter: Denn so viele gibt es davon nicht. "Halle, Berlin, Leipzig, Dresden - im Westen noch weniger." Da ist der Gedanke nicht weit, mit einem Internetverleih aufzusatteln. "Konkrete Pläne gibt es aber nicht", sagt Fanenbruck. Bedarf gäbe es aber, denn: "Das Heimkino ist noch kein Auslaufmodell."