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  7. Germanwings-Absturz vor 10 Jahren: Erinnerung an Künstlerin Juliane Noack aus Halle

Flugzeug-Unglück Zehn Jahre nach Germanwings-Absturz: Das Erbe der Juliane Noack

Eine von 150 Toten: Vor zehn Jahren kam die Schmuckkünstlerin bei einem Flugzeugunglück in Frankreich ums Leben. In Halle prägte sie einen besonderen Ort mit, der bis heute Bestand hat.

Von Alexander Schierholz Aktualisiert: 25.03.2025, 09:11
Juliane Noack starb an Bord der Germanwingsmaschine Flug 4U 9525. Die Künstlerin war im zweiten Monat schwanger.
Juliane Noack starb an Bord der Germanwingsmaschine Flug 4U 9525. Die Künstlerin war im zweiten Monat schwanger. Foto: Jörg Lipskoch/Förderverein Julia Noack

Halle/MZ. - „Wir machen das jetzt!“ – dieser Satz von Juliane Noack klinge noch vielen im Ohr, schreiben Annegret Frauenlob, Rita Lass und Annekathrin Pohle in einem Nachruf über ihre viel zu früh verstorbene Künstlerkollegin und Freundin. Als der Text mit dem Titel „Für Jule“ 2017 in einer Publikation des Kunstvereins „hr. fleischer“ in Halle erscheint, ist Juliane Noack bereits zwei Jahre tot. Die Schmuckkünstlerin, Absolventin der halleschen Kunsthochschule Burg Giebichenstein, kommt beim Absturz einer Germanwings-Maschine am 24. März 2015 in den französischen Alpen ums Leben. Mit ihr sterben 149 andere Menschen, darunter auch eine Schülergruppe aus Nordrhein-Westfalen. Noack wird nur 30 Jahre alt.

Germanwings-Absturz in Frankreich: 10 Jahre nach der Tragödie noch Ungereimtheiten

Der Absturz, der sich am Montag zum zehnten Mal jährte, ist eines der schwersten Unglücke in der europäischen Luftfahrtgeschichte. Flug 4U 9525 ist an jenem März-Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als die Maschine um 10.41 Uhr an einem Bergmassiv nahe der französischen Ortschaft Le Vernet zerschellt. Alle Insassen sterben.

Der zeitweise wegen Depressionen behandelte Co-Pilot, so werden Untersuchungen später ergeben, steuert den Airbus A320 absichtlich gegen den Berg, um sich das Leben zu nehmen. Juliane Noack kommt von einem Besuch bei Freunden in Valencia. Sie ist im zweiten Monat schwanger. Ihr Lebensgefährte will sie in Düsseldorf vom Flughafen abholen. Sie kommt dort nie an.

Vermächtnis: Vom Kiosk zum Kunstraum am Reileck in Halle

In Halle hatte Noack 2009 den Verein „hr. fleischer“ mitbegründet. Er unterhält an einer belebten Kreuzung im Norden der Stadt einen Kunstraum in einem ehemaligen Zeitungskiosk, benannt nach dessen langjährigem Betreiber Hansi Fleischer, einem mittlerweile verstorbenen Kiez-Original.

Lesen Sie auch: Germanwings-Absturz am 24. März 2015: Das Unfassbare begreifen: Die Geschichte von Flug 4U9525

„Juliane und ich waren gut befreundet“, sagt Annekathrin Pohle am Telefon. Auch sie ist Schmuckkünstlerin mit Burg-Studium und zählt ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern des Vereins, in dessen Vorstand sie sitzt. Juliane Noack sei wichtig für den Verein gewesen, sagt Pohle, „ein sehr prägendes Mitglied“. Wenn man so will, ist der Kunst-Kiosk auch Noacks Vermächtnis.

An dieser Stelle stürzte der Airbus in das Bergmassiv der französischen Hochalpen bei Le Vernet. Alle Insassen verloren ihr Leben, auch die Künstlerin aus Halle.
An dieser Stelle stürzte der Airbus in das Bergmassiv der französischen Hochalpen bei Le Vernet. Alle Insassen verloren ihr Leben, auch die Künstlerin aus Halle.
Foto: Sebastien Nogier/dpa

„Ihre Präsenz vor Ort wirkte nach, auch als sie schon längst in Leipzig wohnte“, schreiben Pohle und ihre beiden Mitautorinnen in ihrem Nachruf über Juliane Noack. Sie erzählen darin von einer Ausstellung, die ihr der Verein ihr im Sommer 2015 widmete, einige Wochen nach ihrem Tod.

Das Projekt sei dem Wunsch entsprungen, „den Kiosk nicht passiv der Trauer zu überlassen, sondern den eigenen Tatendrang und den Austausch untereinander in eine adäquate Form der Erinnerung zu überführen, die zu Jule, als aktiver Person, passte“, heißt es im Nachruf. Kunst als Trauer- und Erinnerungsarbeit. Der hallesche Kunst-Kiosk im Netz: www.herrfleischer.de

Germanwings-Katastrophe Flug 4U 9525: Aufarbeitung noch immer nicht beendet

Unterdessen ist die juristische Aufarbeitung der Katastrophe noch immer nicht beendet. Die Hoffnung von 32 Hinterbliebenen ruht nun auf dem Landgericht in Braunschweig. Dort verklagen sie das in der niedersächsischen Stadt ansässige Luftfahrtbundesamt auf Schmerzensgeld, insgesamt geht es um 1,2 Millionen Euro. Es ist der letzte einer Reihe von Gerichtsprozessen, die noch nicht abgeschlossen sind. Die Kläger werfen der Behörde Versäumnisse vor.

Interessantes aus dem Archiv: Petition zur Germanwings-Katastrophe  Germanwings-Absturz 2015: Vater von verunglückter Hallenserin Juliane Noack fordert weitere Untersuchungen

Ein Gerichtssprecher sagt, sie seien der Auffassung, dass bei der Überwachung der medizinischen Tauglichkeitsprüfungen für Piloten europäisches Recht nicht beachtet worden sei und dass dadurch der durch den Co-Piloten vorsätzlich verursachte Absturz begünstigt worden sei.

Absturz von Flug 9525: TV-Doku weckt Zweifel an Suizidabsicht des Co-Piloten

Die Klage war im Juli 2023 eingereicht worden, ein Termin für das Verfahren steht aber noch nicht fest. Das sei nicht ungewöhnlich, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Julius Reiter, der die Kläger vertritt. Verfahren dieser Art dauerten in der Regel Jahre. Er hoffe, dass das Bundesverkehrsministerium, dem das Luftfahrtbundesamt unterstellt ist, „mit uns in Vergleichsverhandlungen eintritt“. Dazu sei es bisher nicht gekommen.

Die Germanwings-Mutter Lufthansa hat nach eigenen Angaben mehr als elf Millionen Euro an die Familien der Opfer gezahlt.

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Zusätzlich aufgewühlt werden dürften die Angehörigen der Todesopfer in diesen Tagen durch eine Dokumentation des TV-Senders Sky. Darin werden Zweifel geweckt am offiziellen Hergang, wonach der Co-Pilot die Maschine in Suizidabsicht gegen das Bergmassiv gesteuert hat. Verantwortlich für die Katastrophe, so die Doku, könnten demnach auch technische Mängel am Flugzeug gewesen sein.

Ermittlungen zum Absturz von Germanwings-Flug 9525

Für die Ermittler steht fest: Der Co-Pilot von Flug 4U 9525 hat die Maschine am 24. März 2015 in Suizidabsicht gegen das Bergmassiv geflogen. Zu diesem Schluss kamen französische und deutsche Staatsanwälte sowie die französische Behörde für Flugunfälle. Die Auswertung der Flugschreiber hatte ergeben, dass der Co-Pilot sich im Cockpit einschloss, nachdem der Pilot auf die Toilette gegangen war. Anschließend stellte er die Flughöhe auf nur 30 Meter ein.

Die Ermittlungen ergaben, dass der Mann bereits 2008 wegen einer Depression seine Pilotenausbildung in den USA hatte unterbrechen müssen. In den Monaten vor dem Absturz hatte er wegen psychischer Leiden Ärzte aufgesucht und wenige Tage vor dem Unglück im Internet Methoden der Selbsttötung recherchiert und sich mit den Sicherheitsvorkehrungen bei Cockpit-Türen befasst.