Boxen Boxen: Der Nächste bitte!
Halle (Saale)/MZ. - Das Gesicht sah kein bisschen zerbeult aus. Nicht ein einziger Hinweis auf den munteren Schlagabtausch fünf Tage zuvor, kein Veilchen, keine aufgeplatzte Augenbraue. "Ach, es ist ja nicht so, dass da nichts ist", sagt der Boxer beinahe entschuldigend. "Das tut schon überall noch ein bisschen weh." Und dann ist da noch die Beule am Hinterkopf. Ein zumindest ertastbarer Beweis, dass es bei seinem Weltliga-Sieg am Freitag in Hannover gegen den Ukrainer Sergej Lapin ganz schön zur Sache gegangen war. Als Künzel den Kopf heruntergezogen und sich hinter seiner Doppeldeckung verschanzt hatte, war er mit dem kantigen Schädel seines Herausforderers unglücklich zusammengerasselt.
Doch auch wenn er sich insgesamt noch ein klein wenig platt fühlt nach den fünf kraftraubenden Runden, so sei er doch für das nächste Turnier gewappnet, versichert der Boxer aus Halle. Das beginnt am Mittwoch in Oldenburg und ist immerhin eine deutsche Meisterschaft. Seinen Start bei der viertägigen nationalen Besten-Ermittlung hat Künzel nie selbst in Frage gestellt. "Dazu bin ich zu ehrgeizig", sagt der Halbschwergewichtler. Den im Vorjahr erkämpften Meistertitel will er schon gern verteidigen und damit seinen Status, erster Anwärter in seinem Limit auf einen Startplatz bei EM und WM zu sein.
Der schnelle Umstieg von der WSB-Weltliga zum traditionellen Amateurboxen fällt Künzel nicht schwer. "Anders herum wäre es sicher schlimmer", meint der 24-Jährige. Wer Luft für fünf Runden hat - bei der WSB werden fünf mal drei Minuten geboxt - der schafft auch die klassischen drei mal drei. Und dass bei der Meisterschaft im Gegensatz zur WSB Kopfschutz und Trikot Pflicht sind, erhöhe die Sicherheit. Das ganze Brimborium beim Weltligaboxen mit Glanz und Glamour vor tobenden Zuschauern sei zwar "toll, trotzdem versuche ich, das alles an mich nicht heranzulassen". Egal ob international oder national, "ich konzentriere mich immer auf mich, versuche, in meinen Tunnel zu kommen". Dass aus dem Jäger nun der Gejagte geworden ist, damit kommt Künzel gut zurecht. "Wenn man einmal oben steht, ist das besser", sagt der Sportsoldat und bezieht das auf das eigene Selbstvertrauen und auch auf das Vertrauen, das Trainer und Verband in ihn setzen.
Das von Siegfried Vogelreuter hat Künzel sowieso. "Das wird kein Selbstläufer, trotzdem denke ich, dass Kevin das schafft ", sagt sein Heimcoach. Auch Hagen Worofka (60 kg), Christian Henze (64), Sebastian Knigge (69), Robin Eickhorst (75) und Patrick Esther (81) bescheinigt er eine gute Entwicklung. Der eine oder andere hat auch schon einen Etablierten geschlagen. "Sicher werden wir nicht mit sechs Medaillen nach Hause fahren", sagt Vogelreuter, "aber Finalleistungen sind möglich." So viele Eisen hatte der Stützpunkt lange nicht im Feuer. Bei der letzten Meisterschaft waren es mit Künzel, Knigge und Henze drei.