Ferien in der DDR Ferien in der DDR : Als Neptun zu Besuch kam
Eisleben - Ferienlager in der ehemaligen DDR waren nicht nur Fahnenappell und schon gar nicht militärischer Drill. Es war einfach nur: Eine unbeschwerte Kindheit für drei Wochen genießen und das für sage und schreibe 15 DDR-Mark Unkostenbeitrag.
In der Zeit von 1960 bis 1967 hatte ich die Möglichkeit, als Betreuerin in die Ferienlager des HO-Kreisbetriebes Eisleben zu fahren. Dafür habe ich meine drei Wochen Jahresurlaub verwendet.
Für Kinder den Urlaub opfern
Das hieß mitnichten drei Wochen Urlaub für mich. Nein, dass war schon manchmal eher wie einen Sack Flöhe zu hüten, wenn man für 10 bis 15 pubertierende Jugendliche, im Alter zwischen 13 und 15 Jahren Verantwortung übernehmen musste. Aber dafür habe ich gerne meine drei Wochen Urlaub geopfert.
Die Ferienlager-Sonderzüge wurden meist in den Nachtstunden bereitgestellt. Treff war oft 18 Uhr am Bahnhof in Eisleben, wo wir Helfer unsere Gruppen übergeben bekamen.
Es folgte ein erstes Kennenlernen, der Abschied von den Eltern und dann mit „Dreiwochenferienlagergepäck“ und guter Laune ab in den Zug und rein ins Ferienlagervergnügen.
Die „Alten Hasen“ nahmen sich den Neulingen an und es wurden auf der Fahrt durch die Nacht die ersten Freundschaften geschlossen.
Von Müdigkeit und nächtliche Ruhe war dabei nichts zu spüren, da mussten wir Helfer schon wachsam sein, damit nichts passierte. Die schönsten Lager waren, neben Thüringen, Müritzsee und Erzgebirge, die Lager an der Ostsee, speziell auf der Insel Poel/Kirchdorf.
Feueralarm bei der Neptuntaufe
Untergebracht waren wir dort in einer Schule und das Essen wurde in einem großen Zelt eingenommen. Für eine vorbildliche Organisation sorgte über Jahrzehnte der Lagerleiter Willi Theile mit seiner Wirtschaftsleiterin Brigitte Schmidt sowie einer exzellenten Köchin, die für das Wohl der Kinder sorgte und die hungrigen Mäuler stopfte.
Natürlich, bei über 100 Kindern musste auch Ordnung sein und da gab es auch keine Diskussionen, wer dafür sorgte. Wir als Helfer waren vor allem in den ersten Tagen für die Neulinge die Seelentröster, waren Waschfrauen oder auch Näherinnen, wenn es galt, kleinen Pannen zu beseitigen.
Und wir haben das auch gerne getan. Höhepunkte an der See waren in jedem Jahr das Neptun- und das Lagerabschlussfest. Letzteres war dann schon mit ein wenig Wehmut begleitet, weil es dann in den darauffolgenden Tagen wieder nach Hause ging.
Eine Begebenheit ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Am Vorabend des Neptunfestes am Müritzsee, es war so gegen 23 Uhr, ertönte eine Lagersirene: Feueralarm!
Alle Kinder fanden sich auf der großen Wiese ein, denn unser Lager lag genau am See. Plötzlich waren zwei große Scheinwerfer auf die Müritz gerichtet und in einem Boot kam Neptun, ausgestattet mit Dreizack, Krone und Gefolge, zu Besuch in unser Lager.
Und hat persönlich den „Tagesbefehl“ für das am nächsten Tag stattfindende Neptunfest bekanntgegeben. Das in dieser Nacht keine Ruhe in den Schlafräumen eintrat, wird wohl jeder verstehen.
Das abendliche Tanzvergnügen mit Kakao und Kuchen und einem alten Koffergrammophon war, dann der Höhepunkt dieses schönen Tages. Ein alter Schlager von damals war „Der Bikini-shake am blauen Meer“.
Diese alte Schellackplatte lief rauf und runter. Und diskret haben wir Helfer hinweggesehen, wenn die verstohlenen ersten Liebesblicke getauscht wurden.
Im Herzen jung geblieben
Na ja, ich war ja auch mal jung und wenn man mit 14 den ersten Liebeskummer hat, glaubt man schon, die Welt geht unter. Und das habe ich dann auch beim Abschiednehmen verstanden.
Aber auch unter uns Helfern ist so manche Freundschaft entstanden, die bis heute hält. Traurig macht es mich schon, dass so viele von der alten Truppe nicht mehr unter uns sind und die Kinder von damals - sie sind ihren Weg gegangen und gehen nun auch schon auf die 70 zu.
Ich werde 91, aber tief im Herzen bin ich die junge Frau von damals geblieben und ich erinnere mich gerne an die schönen Jahre zurück. (mz)