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Großbaustelle auf der A9 Richtung Berlin Verkehr auf der Autobahn 9: Gerald Voigt im Interview

02.04.2016, 11:29
Die Autobahn 9 ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Deutschlands und entsprechend befahren.
Die Autobahn 9 ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Deutschlands und entsprechend befahren. Kehrer

Dessau - Weniger Unfalle als 2014, acht Tote, viele Personenschäden und sehr hohe Sachschäden. Das sind in einem Satz die Fakten von der Autobahn 9 im Jahre 2015 zwischen Landesgrenze Brandenburg und Anschlussstelle Halle. 620 Unfälle stehen in der Bilanz des zuständigen Bundesautobahnpolizeireviers Dessau-Roßlau.

Die Mitarbeiter des Reviers stehen unmittelbar vor neuen Herausforderungen. Welche das sind und wieso 2015 so viele Menschenleben zu beklagen waren, darüber sprach MZ-Redakteurin Annette Gens mit Polizeirat und Revierleiter Gerald Voigt.

2016, sagen Sie, könnte ein besonders schwieriges Jahr auf der A9 im Dessau-Bitterfelder Bereich werden. Weshalb?

Voigt: Auf der A9 wird eine große Baumaßnahme vorbereitet, die uns bis zum Jahresende beschäftigen wird. Ab 2. Mai ist die Richtungsfahrbahn Berlin zwischen Wolfen und Dessau-Süd voll gesperrt. Dort muss der Straßenbelag komplett erneuert werden.

Das Nadelöhr, durch das Lkw, Transporter und Pkw dann fahren müssen, um nach Berlin beziehungsweise Richtung München zu gelangen, ist 15 Kilometer lang.

Die Richtungsfahrbahnen München wird so umgebaut, dass in beiden Richtungen zwei Fahrstreifen ohne Standstreifen entstehen. Schon jetzt wirft die Großbaustelle also ihre Schatten voraus. Momentan bessert ein Unternehmen schadhaften Asphalt auf der Fahrstrecke aus, die ab Mai stark beansprucht sein wird. Es kann dadurch bereits in diesen Tagen zu kleineren Staus kommen.

Autofahrer sind Kummer durch Großbaustellen gewohnt. Wo sehen Sie das Problem und Gefahren?

Voigt: Aus der Erfahrung heraus wird sich an Baustellenanfang und -ende der Verkehr stauen. Unfälle sind wahrscheinlich. Es gibt trotz Tempolimits und anderen Sicherheitsvorkehrungen vor Baustellen immer Auffahrunfälle. Eine Nagelprobe werden die Wochenenden um Himmelfahrt und Pfingsten sein. Erfahrungsgemäß ist das Verkehrsaufkommen an Feiertagen immer größer.

2015 wurde die Polizei zu 620 Unfällen auf der A 9 gerufen. Gab es einen besonders rabenschwarzen Tag?

Voigt: Es gab mehrere Schwerpunkttage. Am 22. November ereigneten sich bei Glatteis 25 Verkehrsunfälle mit 60 Fahrzeugen. Eine Person kam ums Leben. Mehrere Menschen wurden schwer, 20 leicht verletzt. Durch die Unfallserie musste die Autobahn stundenlang voll gesperrt werden.

Rätselhaft bleibt eine Unfallhäufung im Juni. Innerhalb von neun Tagen gab es fünf Tote.

Wo ereigneten sich die meisten Unfälle und was sind die häufigsten Ursachen?

An welchen Stellen der Autobahn gab es 2015 die meisten Unfälle?

Voigt: Mal vorweg: Was wir sehen, ist eine Entwicklung, die nachdenklich stimmen muss. Immer weniger Unfälle ereignen sich aufgrund mangelhafter Technik. Und umgekehrt, immer mehr Unfälle geschehen wegen menschlichen Versagens. Wir beobachten das im Alltag.

Da wird am Steuer das Handy benutzt. Manche sind müde und fahren trotzdem, sie begehen Fahrfehler oder schätzen Situationen falsch ein und sie lassen sich durch Gespräche relativ leicht ablenken. Und das bei sehr hohen Geschwindigkeiten. Es ist ein großer Unterschied, ob man 130 Kilometer pro Stunde fährt oder 250 und dann einen Unfall baut.

Das heißt, es wird gerast?

Voigt: Schnell fahren ist auf den dafür freigegebenen Strecken ja auch nicht verboten - unter der Voraussetzung, dass die Fahrbahn wirklich frei ist.

Nochmal: Gab es 2015 auf der A9 Abschnitte, auf denen sich besonders viele Unfälle ereignet haben?

Voigt: Statistisch gesehen gab es im Bereich zwischen den Anschlussstellen Wolfen und Halle 18 Verkehrsunfälle je Kilometer. Zwischen Vockerode und Dessau sind es pro Kilometer fast 14 Unfälle - übrigens auch, was die Schadenshöhe betrifft.

Noch 2014 ereigneten sich zwischen Vockerode und Dessau acht Unfälle mit einem Sachschaden zwischen 50.000 und 100.000 Euro. 2015 waren es elf Unfälle mit einem Gesamtschaden von fast 500.000 Euro. Das zeigt, dass wir an dieser Stelle Geschwindigkeiten überprüfen müssen.

Woran liegt es, dass die Unfallzahlen in beiden Abschnitten höher sind als andernorts?

Voigt: In Dessau-Ost sind es vielleicht geografische Gegebenheiten. Vor der Abfahrt gibt es eine kleine Anhöhe. Manche bremsen schon auf der Fahrspur ab, um die Abfahrt nicht zu verpassen. Wenn Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit folgen, sind Auffahrunfälle programmiert.

Die Abfahrtsspur ist ziemlich kurz.

Voigt: Das stimmt nicht. Sie ist genauso lang wie an anderen Autobahnabfahrten. Aber nicht umsonst ist die Strecke zwischen Vockerode und Ost mit einem Tempolimit versehen und als Gefahrenstelle gekennzeichnet. Man muss sich jedoch daran halten.

Wo sehen Sie Ursachen für die Unfallhäufung zwischen Wolfen und Halle, konkret an der Abfahrt Halle?

Voigt: Die Strecke ist baulich in Ordnung. Wir haben lange diskutiert und finden keine Mängel, die beseitigt werden können. Aber immer wieder führen kurzfristige Fahrspurwechsel in diesem Bereich zu Verkehrsunfällen. (mz)