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Mut zu ein bisschen mehr Unordnung in der Meile

Von SYLKE KAUFHOLD 23.09.2009, 17:28

DESSAU/MZ. - "Es hat mich beschäftigt, was ich da gelesen habe", erzählt der Architekt, der voriges Wochenende mit einer Gruppe des Bundes Deutscher Architekten zu einer Bauhaus-Tour in Dessau weilte, einige Tage später am Telefon. Klie und seine Kollegen checkten im NH-Hotel ein.

Zwischen Frühstück und Exkursionsbeginn sei er mit Kollegen durch die Zerbster Straße gegangen, erzählt der Darmstädter. Dabei sei ihnen etwas Grundlegendes aufgefallen: "Es ist sehr leer gewesen". Doch nicht den Einwohnerschwund der Stadt sehen die Architekten als Grund dafür. Den machen sie vielmehr in der Straße selbst aus. "Lassen Sie wieder Autos in die Straße", rät Klie, der Vorstandsmitglied im Bund Deutscher Architekten ist. "Ein begrenzter Autoverkehr und ausreichend Parkflächen wären für die Straße gut", ist er überzeugt.

Zunehmend gebe es deutschlandweit unter Stadtplanern Zweifel an der jahrelangen Überzeugung, dass Fußgängerzonen die beste aller Lösungen für die Innenstädte seien. "Ich habe deshalb tiefstes Verständnis für den Wunsch der Anlieger nach Parkplätzen", sagt Joachim Klie, der die Stadt zumindest in der moralischen Verpflichtung sieht, "den Leuten eine Existenzgrundlage zu bieten". Durch entsprechende Rahmenbedingungen.

Den Bauzustand der Gebäude in der Zerbster Straße beschreibt Klie nach dem ersten Blick als in Ordnung. "Ich war auch erstaunt über das Angebot an Cafés und Restaurants." Er warnt indes davor, "zu viel zu erwarten".

Den Trend in deutschen Innenstädten, "alles zu separieren und zu ordnen" hält Klie für kontraproduktiv. "Parkplätze sind viel weniger schlimm als eine tote Fußgängerzone." Er rät den Dessauern, ruhig ein bisschen Unordnung zuzulassen. Das funktioniere in Italien oder Spanien hervorragend.

"Da fährt das Auto am Stuhl des Cafés vorbei und keinen stört es. Im Gegenteil. Es gibt etwas zu schauen. Man wird gesehen und sieht." Die Schaffung von Parkflächen sei außerdem die "einfachste und zudem kostengünstigste Lösung", führt Klie das für Dessau nicht unerhebliche Argument der Kosten an.