Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Tierheim-Auftrag sorgt für Ärger
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Doch bei der Ausschreibung für den millionenschweren Neubau des Dessauer Tierheims ist genau das misslungen. Der Frust darüber sitzt tief. "Da schlagen die Emotionen hoch", gibt Krökel zu. "Da geht es ja auch um Existenzen."
Aufträge im Wert von 17 Millionen Euro spült das Konjunkturpaket II nach Dessau-Roßlau. Planungsleistungen für 1,2 Millionen Euro wurden bislang vergeben. "97,8 Prozent davon sind in der Stadt geblieben", erklärt Joachim Hantusch. Aufträge für 5,3 Millionen Euro sind ausgelöst. "Davon", räumt der Dezernent für Wirtschaft und Stadtentwicklung ein, "sind 900 000 Euro nach außerhalb gegangen." Ob das unabwendbar war, gehen die Meinungen auseinander.
Das Konjunkturpaket II kam einher mit Vereinfachungen im Vergaberecht. Aufträge bis 100 000 Euro kann die Stadt freihändig vergeben. Aufträge bis zu einer Million Euro dürfen per beschränkter Ausschreibung erteilt werden. Es ist ein lokales Steuerungselement. Die Stadt kann hierbei Unternehmen (mindestens drei) gezielt zur Angebotsabgabe auffordern. "Dafür haben wir lange gekämpft", erinnert Hantusch. Bis August 2008 wurde in Sachsen-Anhalt eine beschränkte Ausschreibung nach einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb verlangt. "Das war vom Aufwand her faktisch eine öffentliche und damit für jeden zugängliche Ausschreibung." Erst nach heftigen Protesten änderte das Land den Passus. Erst bei einem Wert über einer Million Euro muss nun öffentlich und damit unbeschränkt ausgeschrieben werden.
Ein Problem aber blieb ungelöst: Gilt für eine beschränkte Ausschreibung das Gesamtvolumen des Projekts? Das Tierheim kostet 1,8 Millionen Euro. Oder ist die Höhe einzelner Lose entscheidend? "In Hessen ist das ganz klar geregelt. Da geht es um die Höhe der Lose", verdeutlicht Hantusch. "In Sachsen-Anhalt fehlt ein solcher Erlass. Das wird in jeder Kommune anders gehandhabt. Wir fühlen uns da allein gelassen", sagt Finanzdezernentin Sabrina Nußbeck, in deren Zuständigkeit bei der Stadt die Submissionsstelle liegt. Die Mitarbeiter dort gingen den rechtlich sicheren Weg - und schrieben im Januar die Baumaßnahme Tierheim öffentlich aus. Der beste Dessauer Bieter landete nur auf dem dritten Rang - und verpasste damit den Millionen-Auftrag.
Das hat für Aufregung gesorgt. Vor allem im Wirtschaftsbeirat, einem beratenden und nicht öffentlich tagenden Gremium, das Joachim Hantusch gerade wieder aktiviert hat. Die Stadt wurde dort vorige Woche für die Tierheim-Ausschreibung heftig kritisiert. Beteiligte wollen sogar eine Entschuldigung von Oberbürgermeister Klemens Koschig gehört haben. Hantusch und Nußbeck bestreiten das. "Wir haben unser Bedauern ausgedrückt, dass das so gelaufen ist", sagen die Dezernenten, verärgert darüber, dass die Auseinandersetzung öffentlich geworden ist. "Das ist ein klarer Vertrauensbruch und ein befremdlicher Umgang", sagt Hantusch. "Das werden wir nicht hinnehmen." Der Wirtschaftsbeirat steht auf der Kippe.
Das Dezernenten-Duo legt Wert auf die Feststellung, "dass sich alle städtischen Mitarbeiter an die geltende Rechtslage gehalten haben." Beim Wirtschaftsministerium in Magdeburg liege eine Anfrage, die Klarheit schaffen soll. Die Tierheim-Ausschreibung kam einer Antwort zuvor. Und trotzdem wird die Sache Konsequenzen haben. Die Ausschreibung hat rathausintern ein riesiges Kommunikationsdefizit aufgedeckt. "Wir sind enttäuscht, dass es aus den Ämtern keinen Hinweis auf die geplante öffentliche Ausschreibung gab", erklärt Nußbeck. Rechtlich sei den städtischen Mitarbeitern nichts vorzuwerfen. "Es wurde einfach die politische Brisanz der Ausschreibung nicht erkannt."
Vorigen Montag - noch vor der Sitzung des Wirtschaftsbeirates - hat Oberbürgermeister Klemens Koschig entschieden, das "hessische Modell" auch in Dessau anzuwenden. Für das Tierheim kommt das zu spät. Für den Neubau der Turnhalle des Philanthropinums ebenfalls. 2,5 Millionen Euro fasst der öffentlich ausgeschriebene Auftrag, der in der kommenden Woche vergeben wird. In beiden Fällen konnte die Stadt nur noch kleine Gewerke aus den vollzogenen Ausschreibungen lösen - und freihändig vergeben.
Für Kreishandwerksmeister Karl Krökel ist all das nur Bestätigung, dass sein Kampf noch nicht zu Ende ist. Für 10 Uhr ist am Mittwoch ein Krisentreffen anberaumt, an dem Stadträte und Dessauer Unternehmer teilnehmen. Joachim Hantusch ist dazu nicht eingeladen. "Das ist schade", bedauert der Dezernent für Wirtschaft und Stadtentwicklung. Gern hätte Hantusch die schwierige rechtliche Lage erläutert - und der Kreishandwerkerschaft einen Auftrag mitgegeben.
"Die Handwerker müssen sich in Magdeburg stark machen, dass in Sachsen-Anhalt endlich klar geregelt wird, welche Summen bei der beschränkten Ausschreibung zur Anwendung kommen. Es kann doch nicht sein, dass der Mut des Oberbürgermeisters entscheidet, für welche Variante sich die Stadt entscheidet." Zumal Finanzdezernentin Sabrina Nußbeck noch eine ganz andere Gefahr sieht. "Wir brauchen Rückendeckung für den Fall, dass eine Firma gegen eine beschränkte Ausschreibung vor die Vergabekammer zieht."