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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Neustart im zweiten Anlauf

Von STEFFEN BRACHERT 10.07.2012, 17:55

DESSAU/MZ. - Ein Jackett?! Es ist halb Frage, halb Aufforderung. "Wenn es sein muss", brummt Andreas Fiedler und zieht es über die hochgekrempelten Ärmel, die besser zur Situation gepasst hätten. "Wir sind hier, um den Scherbenhaufen wieder zusammenzufügen", sagt der Unternehmer aus dem Brandenburgischen. "Wir sind hier, um gemeinsam Erfolg zu haben."

Fiedler steht in der großen Werkhalle auf dem Dessauer Waggonbaugelände, wo die Arbeit für eine halbe Stunde ruht. Die 100 Mitarbeiter sind gekommen, ihren neuen Chef kennenzulernen. Vorigen Mittwoch hat sich die Gläubigerversammlung der insolventen Fahrzeugtechnik Dessau CTF für das Angebot der Vetschauer Transkei GmbH ausgesprochen - zur Zufriedenheit aller.

Lob an Insolvenzverwalter

"Es ist ein Weg in die Zukunft", sagt Manfred Pettche, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Dessau, und lobte ausdrücklich die Zusammenarbeit mit Insolvenzverwalter Henning Schorisch von der bundesweit tätigen Kanzlei HWW Wienberg Wilhelm . "Wir sind froh, dass es so gekommen ist", sagt Betriebsratschef Jörg Werner und atmet tief durch. Hinter Werner und seinen Kollegen liegen Nerven aufreibende Monate und ein zermürbender Kleinkrieg mit dem alten Firmenchef Stefan Movila, der viel versprach und ankündigte, aber wenig hielt.

Am Ende sah man sich öfter vor dem Arbeitsgericht als an der Werkbank. Versprochene Großaufträge aus der Ukraine und Kasachstan wurden nie verwirklicht. Als im März ein Insolvenzantrag gestellt wurde, war das für fast alle Beteiligten eine Erleichterung. Der Schuldenstand lag in Millionen-Höhe. Dass Movila sein altes Unternehmen aus der Insolvenz wieder übernehmen wollte, sorgte für neue Unruhe. Trotz des höchsten Gebots entschied der Gläubigerausschuss anders.

Fiedlers Transtec aus Vetschau hatte schon 2008 Interesse an der Fahrzeugtechnik Dessau. Prestigezüge wie der Protos und der Metropolitan hatten den Waggonbau-Nachfolger damals in die erste Insolvenz geführt. Der Kontakt ist seither nie abgerissen. "Wir sind Spezialist für Drehgestelle", sagt Fiedler. "Doch unsere Kunden haben immer wieder nach Komplettlösungen gefragt." Fiedler, gebürtig aus Haldensleben, war deshalb immer auf der Suche nach einem geeigneten Partner. Im zweiten Anlauf klappte es nun mit der Dessauer Fahrzeugtechnik.

Fiedler hatte die Transtec im brandenburgischen Vetschau im Jahr 2006 übernommen. 140 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, das nun eine Schwestergesellschaft an die Seite gestellt bekommt. "Unsere Aufgabe ist es nun, Synergien zu erschließen, um effizienter zu werden." Gemeinsam - und an beiden Standorten. "Es soll nicht heißen, jetzt kommen die schlauen Spreewälder und helfen uns etwas über."

Fiedler wird Chef der neuen FTD Fahrzeugtechnik Dessau. Der Betriebsübergang wird gerade vorbereitet. Technischer Geschäftsführer vor Ort soll Bassam Mousan werden, der für die Transtec Vetschau in den vergangenen Jahren schon Kontakte in den Mittleren und Nahen Osten geknüpft hat. "Da sind die Märkte der Zukunft", sagt Fiedler, der auf Straßenbahnen und Güterwaggons setzt, aber auch nicht ausschließen will, dass der Dessauer Vorzeigezug "Protos" wieder aktiviert wird, um in zwei, drei Jahren wieder mit einem eigenen Zug am Markt zu sein. "Wir wollen und werden innovativ sein und uns eigene Nischen suchen."

Einlaufzeit notwendig

Vorab gilt es, die FTD Fahrzeugtechnik Dessau wieder auf Kurs zu bringen. "Mein Respekt gilt den Mitarbeitern, die so lange durchgehalten und sich faktisch selbst organisiert haben", weiß Fiedler um die Probleme mit der alten Geschäftsführung. "Es wird eine Einlaufzeit geben." In dieser gelte es, alte Kunden zurückzuholen und neue Kunden zu gewinnen. "Es sind Abstriche nötig, wenn wir langfristig Erfolg haben wollen", kündigt der 42-jährige Unternehmer Verhandlungen mit der IG Metall über einen Haustarifvertrag an. Denn der Schienenfahrzeugmarkt wachse weltweit. "Und es gibt viele Interessenten." Der Preisdruck sei enorm. "Da müssen wir wettbewerbsfähig sein."