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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Neuer Gebetsraum für Muslime

Von STEFFEN BRACHERT 22.09.2010, 17:52

DESSAU/MZ. - Zuletzt hat dort ein Fahrradhändler sein Glück versucht. Wenig erfolgreich. Gleich nebenan hatte einst ein kleines Polizeimuseum seinen Sitz. Das Ladengeschäft in der Askanischen Straße 22 hat eine bewegte Geschichte - und seit kurzem einen neuen Mieter. Gegenüber der Dessauer Georgenkirche und nahe der Jüdischen Gemeinde ist in den vergangenen Wochen mitten im Zentrum der Stadt ein muslimischer Gebetsraum entstanden.

Erste Freitagsgebete schon vorbei

Zwei traditionelle Freitagsgebete haben schon in den renovierten und umgestalteten Räumen stattgefunden. Doch wer vor Ort ein Minarett sucht, wer plärrende Lautsprecher erwartet, der ist hier falsch. "Wir waren und sind", sagt Masin Ali, der Vorsitzende der Muslimischen Gemeinschaft in Dessau, "ganz, ganz leise."

Dessaus Islamischer Kulturverein hat sich schon im Jahr 2003 gegründet und bislang nicht versteckt. Aufgefallen ist der Verein trotzdem nicht, was vor allem daran liegt, dass sich der alte Gebetsraum im Asylbewerberheim im Schwarzen Weg nahe dem Dessauer Flugplatz befand. Doch das Heim wurde von der Stadt zum 30. August geschlossen. Asylbewerber werden seitdem in Dessau-Roßlau nicht mehr zentral an einem Ort untergebracht, sondern über die ganze Stadt verteilt.

Mitte Juli hatte sich die Muslimische Gemeinschaft deshalb mit der Bitte an die Stadt gewandt, bei der Suche nach einem neuen Gebetsraum zu helfen. "Wir sind froh, dass sich so schnell eine Lösung gefunden hat", sagt Rebekka Paul, die Integrationsbeauftragte der Stadt, die mit der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft einen engagierten Partner und mit der Askanischen Straße einen innerstädtischen Standort fand. "Wir wollten den Gebetsraum bewusst nicht in einem Hinterhof, ein Industriegebiet oder an den Stadtrand legen." Der neue Standort bietet genügend Ressourcen, "um Brücken zu bauen und um auch das Verständnis füreinander wachsen zu lassen".

Die Vorbereitungen waren aufwändig. "Wir richten schließlich nicht jeden Tag eine Moschee ein", sagt Walter Matthias, der Pressesprecher der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft, der vorab extra nach Berlin gereist ist, um dort drei Moscheen zu besichtigen und ein Gefühl zu bekommen, "was uns und die Mieter erwartet, ob es da nachbarschaftsrechtliche Beeinträchtigungen gibt". Der Pressesprecher des Unternehmens kam beruhigt zurück.

Befürchtungen und Ängste

"Natürlich gibt es Befürchtungen und Ängste", ist Matthias ehrlich. Wo Neues entstehe, seien Konflikte vorprogrammiert. Die Dessauer Wohnungsbaugesellschaft hat deshalb von Anfang an mit offenen Karten gespielt - und auf Gespräche gesetzt.

Auf einer Mieterversammlung hätten die Anwohner die Ankündigung, dass im Erdgeschoss der Askanischen Straße 22 ein muslimischer Gebetsraum einziehe, der Platz für 65 Männer und 13 Frauen bietet, "erst stumm entgegen genommen", um dann doch vor allem Fragen nach der Sicherheit des Hauses zu stellen. Für Matthias ist das normal. "Diese Frage haben wir uns natürlich auch gestellt." Und mit einem Blick in die unternehmenseigene Statistik beantwortet.

"Wir haben 250 Gewerberäume. Zwanzig Mieter davon haben einen Migrationshintergrund, sieben einen muslimischen", zählt Matthias auf. "Es gab da noch nie Probleme." Matthias weiß natürlich, dass der Vergleich einen Haken hat. Ein Gewerberaum ist kein Gebetsraum. Das Miteinander muss und soll wachsen. "Wir haben die klare Erwartungshaltung", sagt Matthias, "dass sich der Verein den Nachbarn öffnet." Die Muslimische Gemeinschaft wird das tun. "Am 3. Oktober", kündigt Masin Ali an, "ist in der Askanischen Straße ein Tag der offenen Tür geplant."

Masin Ali ist im Jahr 1997 nach Dessau gekommen. Der 40-jährige Syrer ist Elektroingenieur, verheiratet mit einer Ukrainerin, die gerade Muslimin geworden ist. "Freiwillig", schmunzelt der Vater dreier Kinder, der gewählter Vorsitzender der Muslimischen Gemeinschaft ist - und damit der Imam, der Vorbeter, der angetreten ist, Vorurteile abzubauen.

Etwa 60 islamische Familien leben in Dessau-Roßlau. Gut 50 Mitglieder zählt die Islamische Gemeinschaft. "Darunter sind auch fünf Deutsche, die zum Islam übergetreten sind", erzählt Masin Ali, der weiß, dass einer wie Thilo Sarrazin mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" und seinen Thesen vor allem über die Integrationsunwilligkeit muslimischer Migranten die Eröffnung eines Gebetsraumes eher schwieriger gemacht hat.

Debatten werden geführt

Masin Ali geht der Debatte nicht aus dem Weg. "Muslime sind nicht genetisch dumm", sagt der Syrer. "Das ist Quatsch." Man wolle sich in Dessau integrieren und offiziell hier leben - und auch beten. Davor müsse niemand Angst haben. Acht Jahre habe es den Gebetsraum im Schwarzen Weg gegeben. Ohne Vorkommnisse. "Islam bedeutet Frieden, Radikale passen da nicht dazu", grenzt Masin Ali sich selbstbewusst und klar ab. "Die würden wir aus unserer Gemeinschaft ausschließen."