Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Kino in 4D - und überall Reis
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Wer vom schrägen Filmkritiker Serge Pocken schon am Eingang mit schwarzem Kajalstift ein dickes V für "Virgin" (Filmjungfrau) auf die Stirn geschrieben bekam, musste als allererstes einmal lernen, den legendären Time Warp zu tanzen. Erst dann sei man bereit für den Kult-Film "The Rocky Horror Picture Show", den Pocken gemeinsam mit seinem Kollegen Pit Rutten im Dessauer Stadtpark präsentierte. Es war die zehnte Ausgabe der Reihe "Trash am Montag", die das Kiez-Kino diesmal allerdings am Sonnabend zeigte.
Rutten und Pocken haben es sich seit dem letzten Herbst auf die Fahnen geschrieben, den Dessauern die Klassiker des Kinos nahe zu bringen. Dieses Mal war das 70er Jahre Horror-Musical "The Rocky Horror Picture Show" an der Reihe - ein Film, der mit seinen freizügigen Travestie- und Sexszenen Moralvorstellungen auf den Kopf stellte und mit seinen schrillen Figuren zum Kult wurde.
Die Schauspieler Jan Kersjes und Thorsten Köhler, die die beiden exzentrischen Filmkritiker Rutten und Pocken darstellten, erklärten den Gästen zunächst den Ablauf des Abends. Sobald die ersten Hüllen gefallen waren und beide nur noch in Mieder und Strapsen auf dem Rasen standen, wurde erläutert, wozu die mitgebrachten Gegenstände wie Reis, Zeitungspapier, Gummihandschuhe und Wasserpistolen gebraucht wurden: An der richtigen Stelle im Film galt es mitzumachen, Kommentare zu rufen oder laut zu johlen. Wer seine Ausrüstung vergessen hatte, konnte an der Abendkasse ein Filmkit erwerben. "Der Film kann nur dann eine Party werden, wenn alle mitmachen", erklärte Serge Pocken im Voraus.
Schon jetzt war die Stimmung ausgelassen, besonders die einfallsreichen Kostüme der Gäste beeindruckten die Gastgeber. Zahlreiche Damen waren im Mieder und Netzstrumpfhose oder Strapsen erschienen, passend zu den Kostümen im Film. Als dann der Projektor angeworfen wurde, gab es kein Halten mehr: Unter der Anleitung von Rutten und Pocken (Jan Kersjes und Thorsten Köhler) wurde bei der Hochzeitsszene wild mit Reis geworfen, Wasserpistolen stellten gekonnt das Gewitter dar und bei jedem Auftritt der Figur Brad Majors erklangen laute "Arschloch"-Rufe. Beim Time Warp tanzte das Publikum vor der Leinwand, als auch im Film die schaurig schönen Bewohner des Schlosses von Dr. Frank N. Furter dazu tanzten.
"Irre, wie viele Leute sich hier begeistern lassen", schwärmte Thomas Steinberg vom Kiez-Kino. Auch er war nur mit einem Netzhemd bekleidet und heizte die Stimmung an. Als schließlich Rocky, der von Dr. Furter geschaffene künstliche Mensch auf die Leinwand kam und aus seinen Binden gewickelt wurde, flog Klopapier kreuz und quer über den Köpfen des Publikums umher. Die Gäste waren mehr als begeistert von dieser etwas anderen Form des Kinos. Franziska König kannte zwar den Film schon vorher, genoss die Vorstellung jedoch sehr. "Es war super, die Stimmung hat gepasst...und man wurde gut beregnet", lachte sie in Anspielung auf den rigorosen Einsatz der Wasserpistolen. Ihre Freundin Julia Gehlhar fügte hinzu: "Mir hat gefallen, dass sich die Schauspieler selbst nicht zu ernst genommen haben. Das steckte an, da musste man mitmachen und fühlte sich nicht befremdlich."
Ach das Fazit der Experten Rutten und Pocken fiel durchweg positiv aus. "Ich hätte nie gedacht, dass sich die Dessauer so mitreißen lassen. Wirklich toll", lobte Moderator Jan Kersjes. Dabei gab es für die genaue Vorbereitung gar nicht viel Zeit. "Wir haben nicht viel geprobt, sind einfach auf die Bühne. Da probieren wir uns auch immer selbst ein bisschen aus", berichtete Thorsten Köhler.
Die nächste Runde "Trash am Montag" gibt es in der neuen Spielzeit im September. Dann gibt es auch neuen Horror mit "Vampyros Lesbos" aus dem Jahr 1970.