1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Bekenntnis zum Reiz der Rundungen

Bekenntnis zum Reiz der Rundungen

Von SILVIA BÜRKMANN 18.07.2010, 20:14

DESSAU/MZ. - Nun beschränkt sich das schwarze Dress der jungen Dame auf ein knappes, perlenbesetztes Bustier und einen langen, dafür hochgeschlitzten Rock mit funkelndem Hüftgürtel.

Bauchnabelfreiheit und der ebenso aufrechte, wie wiegende Gang korrigieren den Szene-Kurs: Der Inka-Verein "Orientalischer" Tanz feiert sein Sommerfest zum neunten Mal auf dem Hof der Gutenberg GmbH. Und wieder sammeln sich am Samstagnachmittag auf dem Areal in der Brauereistraße hunderte Besucher, Gäste und Freunde des Orientalisches Tanzes. Der Hof seinen Charakter als Betriebshof einer Druckerei gewandelt in die exotische Szenerie wie aus 1001 Nacht. Hinter der Bühne beschwören die Kulissen das Bild eines dreitorigen Wüstenschlosses, gekrönt von einer Sonne. Auf der Bühne davor hüpft, hopst und tanzt der Nachwuchs. Noch im Vorschulalter oder gerade erst Abc-Schützen sind die Mädchen, die im Alltag wohl bezopft über den Spielplatz springen, am Samstag aber die Haare offen im aufkommenden Wind flattern lassen. Wenn Alexis (7) in den Sommerferien aus Mühlheim an der Ruhr zur Omi nach Quellendorf kommt, "dann möchte sie natürlich beim Sommerfest von Inka dabei sein und einfach tanzen, tanzen, tanzen", lacht Karin Günther, die vor zwei Jahren den Orientalischen Tanz für sich entdeckte.

Nebenan über dem Steinpodest ist ein Zelt errichtet mit wehenden Baldachinen. Organza-Schleier im zarten Türkis und Pink gestatten den Einblick in den Harem und seiner Lagerstatt mit Bergen von Kissen und Diwan-Polstern genauso wie den Ausblick der Damen auf ihre Zuschauerwelt.

Die wird zunächst mit Kaffee und Kuchen, frischem Bier und Rosenbowle beköstigt, während die Inka-Frauen in ihre Garderobe huschen. Um wieder aufzutauchen in fabelhaften Kostümen. Dann ist aus Ines Naahid geworden oder Shari-Anjuli und Angelika wirbelt als Inshanna über die Bühne. Wenn die Frisörin, Zahntechnikerin, Krankenschwester, Frau Doktor oder Anwältin ihre Robe getauscht haben und sich nur noch beim Vornamen rufen - dann ist Zeit für die Gruppen Orientdreams, Inkarosen, Raja oder Kismet. Dann ist Zeit für den Orientalischen Tanz, landläufig auch Bauchtanz genannt.

In sieben Gruppen proben an drei Wochentagen (dienstags, mittwochs und donnerstags) etwa 60 Frauen Tänze. 34 von ihnen gehören inzwischen dem Verein Inka an, erzählt Ines Weißflog, die mit ihrer Schwester Katrin die Silben ihrer Vornamen zum Vereinsnamen zusammenfügte. Das war 2001. Inzwischen ist In-Ka ständig gewachsen, haben immer mehr Frauen aus Dessau und Umgebung den Bauchtanz für sich entdeckt. Es sind in der Mehrheit sehr wohl reife Frauen im Altersdurchschnitt 40 plus, hat Kursleiterin Annett Leffers beobachtet, dass der orientalische Tanz mit urwüchsiger Stärke und Selbstbewusstsein die Frauen nach den Mädchenjahren abbildet. "Die Kinder sind aus dem Haus und die Frauen haben wieder Zeit und Freiraum für sich selbst." Und finden neu zu sich. Und manchmal eben zum Orientalischen Tanz. Da nickt Francesca heftig. Die gebürtige Sizilianerin aus Agrigent lebt seit langem in Hamburg und ist vor sieben Jahren nach Dessau gekommen. "Der Liebe wegen", lacht die üppige Frau mit der ... haarigen Mähne, die ihr Leben gern tanzt und vom Flamenco vor zwei Jahren auf den Bauchtanz umgesattelt hat. "Ein sehr sinnlicher Tanz, der unserem Körper mit all seinen Rundungen und Runzeln entspricht", sagt die 50-Jährige Versicherungsfachfrau.

Manchmal aber erwischt der Bauchtanz auch die ganz Jungen. So wie die 24-jährige Steffi Wöhler, die vor vier Jahren bei einem Gartenfest in Roßlau erstmals Inka-Frauen tanzen sah. Und wechselt aus der Metall-Szene zur Inka-Gruppe Kassiopeia, will künftig auch einen Anfängerkurs betreuen. Es ist wie ein Sog. "Wer es einmal probiert, der kann nicht mehr davon lassen", weiß Annett Leffers.