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Zwilling im hohen Norden Zwilling im hohen Norden: Altjeßnitz' Irrgarten gibt es zweimal

Von Sylvia Czajka 08.06.2019, 10:00
Nicht nur hier in der Region die Nummer eins: der Irrgarten in Altjeßnitz
Nicht nur hier in der Region die Nummer eins: der Irrgarten in Altjeßnitz Thomas Ruttke

Altjeßnitz - „Ich glaub’, ich seh doppelt.“ Das ist kein Irrtum, aber einfach irre. Der Irrgarten von Altjeßnitz ist bekannt als Deutschlands ältester Irrgarten. Er schaffte es in den Bildband „Labyrinthe“ über die berühmtesten Irrgärten der Welt. Anfang des Jahres machte das Bahn-Kundenmagazin deutschlandweit für die Anlage Werbung. Und doch birgt der Garten ein großes Geheimnis. Denn was kaum jemand weiß: So einmalig, wie er scheint, ist der Altjeßnitzer Irrgarten nicht. Es gibt ihn doppelt. Wie irre ist das denn!

Jeder Weg, jede Hecke des Zwillings ist genauso angelegt wie beim Original. Der Doppelgänger ist nur etwas kleiner. Doch es kommt eben nicht immer auf die Größe an. Da staunen selbst die Alteingesessenen. Jeßnitz’ Ortsbürgermeister und Heimatforscher Helmut Ernst ist sich sicher: „Von dieser Anlage wissen hier bei uns nur wenige Leute. Für alle anderen dürfte das eine riesige Überraschung sein.“

Der grüne Zwilling führt im Norden Deutschlands in die Irre - in Probsteierhagen. Der Ort mit dem wohlklingenden Namen liegt bei Kiel - Luftlinie 326 Kilometer entfernt vom hiesigen Labyrinth in Altjeßnitz. Dort lustwandeln die Nordlichter seit mittlerweile 1927. Wer hätte das gedacht?

Der Irrgarten von Altjeßnitz erstreckt sich auf einer Fläche von rund 2.600 Quadratmetern

„Die Welt ist eben klein“, sagt Elke Biermann, die in Probsteierhagen jeder kennt. Sie ist mit 74 Jahren die gute Seele des 2.000 Quadratmeter großen Areals. Zum Vergleich: Der Irrgarten von Altjeßnitz erstreckt sich auf einer Fläche von rund 2.600 Quadratmetern. Den Familienbetrieb mit dem namhaften Heckenlabyrinth kennt im hohen Norden wohl jeder. Es ist nämlich ein beliebtes Ausflugsziel.

Elke Biermann kann man hier fast täglich treffen. Und wer mit ihr ins Gespräch kommt, der erfährt so manch’ Wissenswertes aus erster Hand. Elke Biermann kennt nämlich die Verbindung beider Irrgärten. Und auch diese Geschichte ist irgendwie irre - und führt natürlich nach Jeßnitz.

„Mein Schwiegervater führte einst eine Papierfabrik in Jeßnitz.“ Doch wie kam es, dass sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts namhafte Jeßnitzer Familien wie die Biermanns und Martinis durch den Bund der Ehe vereinten und im Norden landeten? Schuld war die deutsche Marine. In ihr diente Alwin Martini. Seine Frau Margarete besuchte ihn 1914 mit ihren Töchtern Hanna und Ursela in Probsteierhagen, wo Alwin stationiert war.

Labyrinth in Schleswig-Holstein wurde in den 1920er Jahren - nach Altjeßnitzer Vorbild - angepflanzt

Aus dem Besuch wurde eine neue Heimat. Aus Tannen bauten sich die Martinis ein Blockhaus. Einst als Übergangslösung gedacht, ist es noch heute das Wahrzeichen des zum Familienbetrieb ausgewachsenen Irrgartens.

Das Labyrinth selbst wurde in den 1920er Jahren - nach Altjeßnitzer Vorbild - mit Maulbeerhecken angepflanzt und zunächst als Privatpark genutzt. „Das ist exakt der gleiche Grundriss, nur der Eingang ist an einer anderen Stelle“, sagt Helmut Ernst, der über die Gründe für das Anlegen dieser Kopie nur spekulieren kann. „Vielleicht wollten sich die Martinis ein Stück alte Heimat holen?“ Ernst hat selber einen Bezug zu der Familie im Norden. Seine Eltern waren einst mit Ursela Martini befreundet. Und die heiratete schließlich den Jeßnitzer Oskar Biermann - Elke Biermanns Schwiegervater.

„Er hatte es hier in Schleswig-Holstein nicht leicht“, erzählt Elke Biermann. 1927 sei zum Irrgarten eine Raupenzucht hinzugekommen. Daraus wurde jedoch nichts. Und die Maulbeerhecke wurde in den harten Wintern der 40er Jahren zerstört und durch Weiß- und Rotdorn ersetzt.

In Altjeßnitz dagegen geht’s seit etwa 1750 ab durch die Hainbuchenhecke

In Altjeßnitz dagegen geht’s seit etwa 1750 ab durch die Hainbuchenhecke. Die Mitglieder des Fördervereins „Irrgarten“ finden die Existenz des grünen Doppelgängers spannend. „Ich war aber selbst noch nicht da“, erzählt die stellvertretende Vereinschefin Anett Paul.

Was nicht ist, das kann ja noch werden. Und vielleicht kann man sich sogar ewas abschauen von der Kopie. Denn in Probsteierhagen ist der Irrgarten samt Gaststätte eine Ausflugsattraktion. „Wir bieten Mittagessen, Kaffee und Abendbrot an, veranstalten viele Feste“, erzählt Elke Biermann, deren Sohn inzwischen das Restaurant führt, die aber immer noch mithilft.

Sie machte 2014 einen Ausflug nach Altjeßnitz. Was sie sah, gefiel. Doppelt hält eben besser und hoffentlich noch lange. (mz)

Grüße aus dem Norden: Seniorchefin Elke Biermann und Sohn Bernd führen in Probsteierhagen ein Familienunternehmen.
Grüße aus dem Norden: Seniorchefin Elke Biermann und Sohn Bernd führen in Probsteierhagen ein Familienunternehmen.
Biermann
Im Kleinformat: der Irrgarten in Schleswig-Holstein
Im Kleinformat: der Irrgarten in Schleswig-Holstein
Biermann