Umstrittetener See-Verkauf bei Bitterfeld Rückkauf der Goitzsche? Stadtrat beruft Sondersitzung ein
Der Stadtrat Bitterfeld-Wolfen trifft sich zur Sondersitzung. Fällt dort eine Entscheidung zum Umgang mit dem See-Verkauf? Warum über bisherige Erkenntnisse der Kanzlei, die die Vorgänge untersucht, bislang geschwiegen wird.

Bitterfeld/MZ. - Fällt an diesem Montagabend eine Entscheidung über den Versuch, den Goitzsche-Verkauf rückgängig zu machen? Der Stadtrat Bitterfeld-Wolfen trifft sich am 4. Dezember zu einer nichtöffentlichen Sondersitzung. Dabei geht es um die Liquidierung der Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungsgesellschaft (BQP) und des dabei erfolgten Goitzsche-Verkaufs. Die BQP war mit einer Tochter auch für die Entwicklung des Sees zuständig. Zwei Stadträte haben nach MZ-Informationen einen Antrag gestellt, über den der Rat abstimmen soll. Über den genauen Inhalt gibt es jedoch keine Informationen. Die Sitzung ist eine Folge der Arbeit der Stadtrats-Arbeitsgruppe zur BQP-Liquidierung. Das Thema ist sehr komplex. Ergebnisse sollen deshalb erst am Ende dieses Prozesses öffentlich gemacht werden. Doch was ist bislang bekannt?1 Was hat die Arbeitsgruppe bisher geleistet?Vor zehn Jahren wurden der Goitzsche-See und rund 350 Hektar angrenzende Grundstücke in Bitterfeld und Muldestausee an die Blausee GmbH für knapp 2,9 Millionen Euro verkauft. Seitdem gibt es an dieser Privatisierung Kritik. Die Arbeitsgruppe soll die Vorgänge aufarbeiten. Mitglied sind Uwe Bruchmüller (CDU), André Krillwitz (Pro Wolfen), Uwe Müller (Gemeinsame Fraktion), Marko Roye (Die Linke), Torsten Weiser (SPD-Bündnisgrüne-FDP) und Kay-Uwe Ziegler (AfD). Im April wurde eine erste öffentliche Bilanz gezogen. Fazit: Der Verkauf habe der Stadt geschadet. Auch Zweifel am Verhalten von Funktionsträgern seien aufgekommen. Zudem kam man zum Schluss, es habe andere Möglichkeiten als den Verkauf der Goitzsche gegeben. Um all die Vorgänge zu analysieren und rechtlich zu bewerten, beauftragte der Stadtrat im Mai die Leipziger Anwaltskanzlei Degen Krafft Barth mit der Aufarbeitung der Liquidierung der BQP.2 Was soll die Kanzlei konkret machen?Der Stadtrat hat an die Kanzlei zehn Fragenkomplexe übergeben, die sie prüfen soll. Dazu gehören Fragen wie: Hat die Vermögenslage eine Liquidierung erfordert? Liegen für alle Grundstücksverkäufe Verkehrsgutachten vor? Wie kamen die Verkaufspreise zustande? Wurden Grundstücksverkäufe ausgeschrieben? Gab es einen Interessenskonflikt des Liquidators mit der Ausübung von kommunalen Mandaten in der Gesellschafterrolle? Haben Aufsichtsratsmitglieder Aufträge der Gesellschaften erhalten? Wer hat die Einhaltung der Investitionsverpflichtungen aus den Kaufverträgen zwischen LMBV und privaten Käufern der Grundstücke überprüft? Doch die entscheidende Frage ist zweifellos: Ist eine Rückabwicklung des Kaufvertrags über die Goitzsche möglich und wenn ja, zu welchen Bedingungen? 3 Zu welchen Erkenntnissen ist die Kanzlei gekommen?Vertreter der Kanzlei haben zweimal im Stadtrat nichtöffentlich Zwischenberichte gegeben. Dabei nahmen sie zu allen Fragen Stellung – entsprechend der bis dahin untersuchten Akten. Über die Einschätzungen herrscht jedoch Stillschweigen. „Der Stadtrat hat nach beiden Berichten einhellig beschlossen, dass wir erst nach Abschluss der Untersuchung, also wenn wir konkrete Feststellungen haben, an die Öffentlichkeit gehen“, teilt dazu die Stadtratsvorsitzende Dagmar Zoschke (Linke) mit. Auch Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) betont: „Wir haben immer festgelegt, dass es während der laufenden Untersuchung dieser Vorgänge keine Veröffentlichungen nach außen gibt.“4 Wann ist mit dem öffentlichen Abschlussbericht zu rechnen?Da die Finanzierung der Arbeit der Kanzlei nur für dieses Jahr gesichert ist, müsste die Arbeit bis Jahresende abgeschlossen sein. So könnte der Bericht dem Stadtrat in der regulären Sitzung am 13. Dezember vorgestellt werden.5 Wozu wurde die Sondersitzung einberufen?Mehr, als dass es im nichtöffentlichen Teil um eine Vertragsangelegenheit geht, ist offiziell nicht bekannt. Nach MZ-Informationen soll ein Antrag zweier Stadträte behandelt werden. Stadtrat Daniel Roi (AfD) hat in den sozialen Medien dazu gepostet, es gehe um das Thema „Rückabwicklung des Goitzscheverkaufs“. Offenbar versuchen die Befürworter, diese über vom See-Käufer nicht erfüllten Vertragspunkte in Gang zu setzen. Doch dazu wird geschwiegen, wohl um der Gegenseite keinen Wissensvorsprung zu geben. Die Kanzlei soll am Montag den Stadtrat zu dem Ansinnen beraten.6 Wie könnte eine Rückabwicklung ablaufen?Vorausgesetzt, Verstöße gegen den Kaufvertrag oder andere rechtswirksame Unstimmigkeiten lassen eine Rückabwicklung zu, wird dies wohl per Gericht laufen, wahrscheinlich über mehrere Instanzen. Das Verfahren müsste die Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) als Rechtsnachfolger der BQP führen und dafür auch das entsprechende Entgelt aufbringen. Dabei geht es aber nicht nur um die Rückzahlung des einstigen Kaufpreises von 2,9 Millionen Euro, sondern auch um die Kosten jener Investitionen, die der neue Eigentümer seitdem getätigt hat. Klar ist auch, dass Grundstücke, die an Dritte weiterverkauft wurden, von der Rückübertragung ausgeschlossen sind. Selbst wenn das Vorhaben gelingen sollte, wäre dann die Steg für die Weiterentwicklung von See und Grundstücken zuständig. Woher das Geld dafür kommen soll, ist unklar.7 Wo gibt es weiteren Klärungsbedarf?Investiert wurde am Ufer des Goitzschesee gleich mehrfach. Ins Auge sticht die Bebauung in Mühlbeck und Pouch. Nur streiten sich die Geister über die tatsächliche Nutzung der Bauten. Die Schlossterrassen in Pouch sind ein Beispiel. Die entstandenen Häuser liegen allesamt in einem als Sondergebiet für Freizeit und Erholung deklarierten Gebiet. Zulässig sind dort Ferienwohnungen und Ferienhäuser, nicht jedoch Dauerwohnsitze. Doch genau die gibt es offensichtlich. Es ist ein Fakt, über den zuletzt der MDR berichtete, der dem Landkreis allerdings schon vor mehr als drei Jahren angezeigt worden ist. Das dortige Bauordnungsamt verschickte Fragebögen zur realen Nutzung.