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Gefühls-Mix zum Abschied

Von Susann Huster 21.09.2007, 16:31

Wolfen/MZ. - Danach geht die 59-Jährige in Altersteilzeit. In all den Jahren hat sie in Wolfen ein Stadt- und ein Verwaltungsarchiv aufgebaut. Insgesamt 243 laufende Meter Papiere, Fotos und andere Dinge zur Historie Wolfens hat sie in dieser Zeit zusammengetragen, geordnet und in dicken Mappen archiviert. "Das ist mein Werk", berichtet sie heute voller Stolz.

"Geschichte", sagt sie "war schon in der Schule ein schönes Fach für mich." Diese Liebe zur Historie ihrer Heimatstadt hat sich durch ihr gesamtes Arbeitsleben gezogen - und das, obwohl Claudia Simon einen ganz anderen Beruf gelernt hat. Als Mechanikerin für Betriebs-, Mess- und Steuertechnik fing ihr Arbeitsleben sehr technisch an. Insgesamt 25 Jahre war sie in der Filmfabrik Wolfen beschäftigt und nutzte in dieser Zeit alle Chancen, sich weiterzubilden. Sie durchlief etwa eine Qualifizierung als technische Zeichnerin und einen Schreibmaschinenkurs.

Ihre Leidenschaft war allerdings schon früh das Laientheaterspiel. Viele Jahre gehörte Claudia Simon zum Ensemble des Arbeitertheaters der Filmfabrik und durchlief - zu DDR-Zeiten war es möglich - sogar eine dreijährige Ausbildung im künstlerischen Volksschaffen. In dieser Zeit lernte sie vieles über Theatergeschichte, Regieführung, Dramaturgie eines Stückes. Später konnte sie dank dieser Ausbildung kleine satirische oder literarisch-musikalische Programme auf die Beine stellen. "Das war eine Bereicherung für mich", sagt sie heute und erinnert sich gern an ihre Zeit als Laiendarstellerin, die sie 1982 allerdings aus familiären Gründen beenden musste. Ihre letzte Rolle im Arbeitertheater war zugleich ihre liebste: die der Schneekönigin.

Auch nach ihrem Abschied als Laien-Mimin hat sie den Kontakt zum Arbeitertheater und zum Wolfener Kulturhaus nie verloren. Als sich kurz nach der Wende die Schließung der Filmfabrik andeutete, bemühte sie sich um einen beruflichen Neuanfang. Sie bewarb sich erfolgreich bei der Stadtverwaltung Wolfen, wo jemand für den Aufbau eines städtischen Archivs gesucht wurde. Peu à peu arbeitete sie sich in dem neuen Job ein. "Ich ging als erstes zum Betriebsarchiv der Filmfabrik und habe dort sehr viel erfahren", berichtet sie.

Das Rüstzeug für den Aufbau eines Stadtarchivs erhielt sie reichlich drei Monate lang von der damaligen Leiterin des Bitterfelder Stadtarchivs, Tatjana Brückner. "Für mich war damals alles neu", erinnert sich Simon, die sich auch während ihrer neuen Arbeit immer wieder um Weiterbildung bemühte. So belegte sie eine Schulung im Landesarchiv Magdeburg und machte 1993 eine einjährige berufsbegleitende Qualifizierung als Verwaltungsangestellte. Sehr nützlich waren für sie auch ihre Kontakte über den Kultur- und Heimatverein Wolfen, den sie 1992 mit gegründet hat. "Diese Kombination Archiv-Heimatverein war nicht schlecht. Dadurch habe ich viel Geschichtliches gelernt", so Simon.

Zwar freut sie sich, nach einem erfüllten Arbeitsleben endlich einmal mehr Zeit für ihre Hobbys zu haben. Ein bisschen Wehmut schwingt bei ihrem Abschied natürlich mit. "Die Archivarbeit macht mir riesigen Spaß. Das war mit das Schönste in meiner gesamten beruflichen Laufbahn", sagt sie. Wenn Anfang Oktober eine Kollegin aus Bitterfeld ihre Nachfolge antritt, wird sich Claudia Simon stärker ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Heimatverein widmen, wo sie etwa den Wolfener Advent mitorganisiert. Und ihr bleibt endlich auch die Zeit und Muße, mit ihrer Bekannten einen Englischkurs zu belegen.