Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Die Königin im Cockpit
Pouch/MZ. - Die Königin im Cockpit, die hat Porsche. Frank Rolfes zeigt auf ein ganz edles ledernes Designerstück. In die gebogene Blende im Armaturenbrett wird später eine Stopp-Uhr integriert. "Das ist genau das Teil, wo der drauf guckt, der seinen Panamera zum Ende fährt. Die Belederung dafür haben wir entwickelt." Und da geht es ums hohe C.
Bei Walepo in Pouch sind 30 Mitarbeiter damit beschäftigt, Luxuskarossen den letzten Schliff zu geben: eine Innenausstattung, wie sie nicht mal im Buche steht. Da ist das Teuerste gerade gut genug. Die Erfahrung machen die Experten des Familienunternehmens, das demnächst in vierter Generation geführt wird, immer wieder.
Lachshaut, Büffelleder, Rind - in allen Farben, die der Luxus-Driver sich vorstellt. Gespickt mit Swarovsky-Steinen oder eher Ton in Ton. Hier geht es um Bugatti und Maybach, die Supermodelle von BMW und Mercedes. Hans-Joachim Lehmann lächelt. Seit gut 20 Jahren ist er in der Branche. Da weiß man, worum es geht: absolute Qualität, Flexibilität, Zuverlässigkeit und eine gewisse Diskretion.
"Wir arbeiten in Stückzahlen, die sind für ein großes Unternehmen nicht rentabel. Für uns sind sie gerade richtig", sagt der Chef. Der Umsatz liegt zwischen 800 000 und einer Million Euro im Jahr. Walepo ist von Anfang an Auftragnehmer des bayerischen Auto-Systemlieferers Dräxlmaier, Spezialist für Fahrzeugelektronik und -interieur. Zufällig hatten sich die Wege von Hans-Joachim Lehmann und Leuten von Dräxlmaier schon vor der Wende gekreuzt. "An das Angebot habe ich mich sofort erinnert, als hier nichts mehr lief. Autoindustrie, das ist knallhart. Aber es war die richtige Entscheidung", sagt Lehmann. Die Bayern suchten damals für die luxuriöse Innenausstattung ihrer Limousinen Leute, die nicht einfach nur mit Leder umgehen können, sondern die ein Händchen dafür haben. Da waren sie in dem Familienunternehmen, das eigentlich mit Schuhen groß geworden ist, richtig. Walter Lehmann, Pouch (Walepo), hatte die Firma 1922 gegründet. Von Generation zu Generation ist sie behütet gewachsen und immer blieb sie im Familienbesitz. Maßgefertigte Schuhe sind hier entstanden und später, als das Leder knapp wurde in der DDR, wurden Hausschuhe aus Stoff produziert.
In diesen Tagen übrigens übergibt Hans-Joachim Lehmann, der Schuhtechnologe ist und Betriebswirt, seine Firma an seine beiden Kinder Franziska und Michael. Die Kommunikationswissenschaftlerin und der Betriebswirtschaftler bilden das ideale Team, davon ist der Vater überzeugt. Bevor sie sich aber in einen Chefsessel setzt, sitzt Franziska Lehmann erstmal auf einem Stuhl in der Produktion. "Ich will wissen, worum es geht und wie es geht", sagt die junge Frau, die für ihren neuen Job München den Rücken gekehrt hat. Einen geschulten Blick muss man haben und einen Erfahrungsschatz. Und das gewisse Etwas. Michael Lehmann ist glücklich hier. "Weil das alles kreativ ist. Bei Neuentwicklungen zählt unsere Meinung", sagt er und lacht vielsagend. "Der Designer hat die Kunst, wir haben das Handwerk."
Nach Zeichnungen oder Rohteilen werden in der Werkstatt die Schablonen angefertigt, nach denen die Teile ausgestanzt werden. "Nur die Schmankerln aus der Lederhaut werden verarbeitet", sagt Franziska Lehmann. Enrico Seidel hat den Blick dafür. Flink markiert er Stellen auf dem Leder - winzige Punkte, Narben, die der Laie gar nicht erkennen würde. Die aber machen das Stück unbrauchbar. Statt der großen Ummantelung der A-Säule gibt es dann eben nur noch die kleineren Teile für den Schaltknüppel her. "Es ist eine Kunst zu sagen, was geht und was nicht", meint Franziska Lehmann.
Die Ansprüche der Kunden sind extrem. Da darf man sich keinen Fehler leisten, das weiß hier jeder. Vor allem auch die Näher. Jeder Stich der Ziernaht, die durch Scharniere, Armaturen, Klappen unterbrochen ist, muss so aussehen, als wäre sie unsichtbar fortgeführt worden. Was verrutscht, ist Pfusch. "Ich weiß, das sieht einfach aus, ist es aber nicht", sagt Petra Bauer.
Den Windlauf eines Cabrio ummantelt Christian Kroll. Mit einem Schwamm tupft er das vorher mit Klebstoff bearbeitete Leder auf das Rohteil. Fahrzeuginnenausstatter hat er gelernt. Da muss man heutzutage auch wissen, wo bei welchem Auto die Elektronik-Adern verlaufen. Seit vier Jahren macht er seinen Traumjob. Und träumt er auch von den Autos? Kroll hebt lächelnd die Schultern: "Klar."
Ihm gegenüber arbeitet Frank Rolfes, der 1983 hier gelernt hat, als Walepo noch Pantoffeln produzierte. Heute veredelt er den Panamera. "Das ist sehr interessant", sagt er. "Und das macht einen auch schon ein bisschen stolz." Das klassische Schwarz, so Kroll, ist die Farbe, die am meisten gewählt wird. "Aber neulich hatten wir einen Auftrag: 50 Porsche komplett in Indisch Rot. Die waren bestellt für eine Wüsten-Rallye in Arabien", erzählt Franziska Lehmann und nickt versonnen. Die junge Frau wiegt den Kopf: "Naja, uns tut das schon ein bisschen weh."
Doch: Job ist Job und Auftrag ist Auftrag. Und so, in der vom Vater vorbereiteten Art, soll es auch künftig weitergehen bei Walepo.