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Sporthalle in Peißen Sporthalle in Peißen: Niemand will 65 Euro pro Stunde zahlen

Von Torsten Adam und Karl Ebert 13.04.2017, 09:45
Peißens Ortsbürgermeister Karl-Heinz Groth hält es für unrealistisch, dass sich Sportler finden, die die Halle des Dorfes für einen Stundensatz von knapp 65 Euro nutzen wollen.
Peißens Ortsbürgermeister Karl-Heinz Groth hält es für unrealistisch, dass sich Sportler finden, die die Halle des Dorfes für einen Stundensatz von knapp 65 Euro nutzen wollen. Engelbert Pülicher

Bernburg/Peißen - Noch kein Jahr ist vergangen seit Einführung der Betriebskostenumlage für die Nutzung von städtischen Turnhallen - und schon wird die Existenzberechtigung eines der Objekte in Frage gestellt. Die Rede ist von der in den 1950er Jahren erbauten Turnhalle in Peißen, die aufgrund ihrer miserablen Dämmung deutlich höhere Kosten verursacht als die anderen sechs kommunalen Sportstätten. Keine der drei privaten Sportgruppen, die dort regelmäßig trainierten, war deshalb bereit, die seit 1. August 2016 verlangten Gelder zu bezahlen. Konkret geht es um 63,83 Euro je Stunde - etwa dreimal mehr als in den Dörfern Baalberge und Biendorf, sogar zehnmal mehr als das günstigste Objekt, die Turnhalle der Bernburger Franz-Mehring-Grundschule.

Keine Extrawurst für Peißener

Zweimal wollte Peißens Ortsbürgermeister Karl-Heinz Groth (CDU) eine spürbare Gebührensenkung erreichen - zweimal handelte er sich eine schallende Ohrfeige ein. Weder Finanz- noch Sportausschuss des Stadtrates wollten ihm und der Ortschaft eine „Extrawurst“ braten. Drei Sportgruppen mit je 15 bis 25 Leuten verzichten deshalb weiter auf die Peißener Halle, die die Stadt dennoch Geld kostet. „Geheizt werden muss ja trotzdem und der Hausmeister bezahlt werden“, warb Karl-Heinz Groth - letztlich vergeblich dafür, „besser den Spatz in der Hand zu halten als den Adler auf dem Dach zu sehen“.

Sein Vorschlag im Finanzausschuss, in Peißen für alle Nutzer nur noch die für Vereine gültige Betriebskostenumlage von 20 Prozent anzuwenden, fand kein Gehör. Auch weil Parteifreund Thomas Gruschka (CDU) als Kreissportbund-Geschäftsführer vehement dafür warb, das Sporttreiben im Verein bewusst zu fördern. „Auch der Ortschaftsrat sollte darauf bedacht sein, das Vereinsleben im Dorf zu stärken. Wer sich keinem Verein anschließen möchte, muss eben voll zahlen.“

Alle Sportinteressenten in einen Verein?

Der Baalberger Uwe Schlegel (Bündnisgrüne) betonte, dass diese Unterscheidung in seinem Dorf dazu geführt habe, dass sich Sportler dem Verein angeschlossen haben. Eine gleiche Wirkung wurde in Biendorf erzielt, wie Ortsbürgermeister Uwe Cisewski (CDU) im Sportausschuss erklärte. Er versuchte deshalb, Karl-Heinz Groth dieses Beispiel schmackhaft zu machen: „Überrede doch alle Sportinteressenten, in einen Verein einzutreten und ihr seid das Problem los“, argumentierte er.

Für Karl-Heinz Groth ist das keine Lösung: „Ich kann niemanden zwingen, in einen Verein einzutreten. Nur weil ich gern Fahrrad fahre, trete ich doch auch nicht in einen Radsportverein ein“, entgegnete der Peißener, der sich enttäuscht zeigte, dass im zweiten Anlauf auch der Kompromissvorschlag seines Ortschaftsrates abgelehnt wurde. Statt des für Peißen gültigen Vereinsstundensatzes von 12,77 Euro wollte er für die drei Sportgruppen 21,26 Euro durchsetzen - jene Summe, die in der zweitteuersten Halle in Biendorf verlangt wird.

„Ich kann mich bei unseren Stadträten nur ehrlich bedanken, dass ich zweimal vorsprechen durfte“, meinte Karl-Heinz Groth in einem Anflug von Sarkasmus. „Aber ich kann nicht verstehen, dass sie sich letztlich für eine leerstehende Turnhalle entschieden haben.“ Sieglinde Krause (CDU) entgegnete: „Wenn wir dem Antrag der Peißener stattgeben, verletzen wir den Grundsatz der Gleichbehandlung. Und das sage ich jetzt als Vertreterin des Kreissportbundes“, meinte die KSB-Vizepräsidentin.

Kostenumlage unterlaufen?

Auch der letzte Versuch einer Kompromisslösung, die Sportausschuss-Vorsitzender Eberhard Balzer (Die Linke) angeregt hatte, scheiterte am Ende. Er ließ darüber abstimmen, ob man im Fall Peißen eine Ausnahme machen könne. Doch das Gremium votierte ebenso dagegen wie zuvor der Finanzausschuss. Der Streit ist damit aber keineswegs beigelegt. Zwei Brandherde schwelen weiter. Einerseits stellte der sachkundige Einwohner Kai Mehliß die Frage in den Raum, welche Zukunft eine ungenutzte und kostenverursachende Halle denn noch hat?

Andererseits äußerte Thomas Gruschka den Vorwurf, dass ein Teil der Sportler seinen Informationen zufolge kostenlos andere kommunale Räumlichkeiten in Peißen nutzen darf und damit die Sporthallen-Betriebskostenregelung unterläuft. „Das lehne ich kategorisch ab“, sagte der Bernburger und forderte die Stadtverwaltung auf, diesen Sachverhalt zu prüfen und gegebenenfalls zu unterbinden. Peißens Ortsbürgermeister wollte sich gegenüber der MZ nicht zu diesem Vorwurf äußern.

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Zwar hat das Land Sachsen-Anhalt mit seinem 2013 in Kraft getretenen Sportfördergesetz eine Regelung aus DDR-Zeiten bekräftigt, wonach Vereinen für die Nutzung von Turnhallen in öffentlicher Trägerschaft keine Miete auferlegt werden darf. Ein finanzieller Freifahrtsschein ist das jedoch nicht. Denn über den Umweg Betriebskosten dürfen die Vereine sehr wohl zur Kasse gebeten werden. Und davon machen inzwischen immer mehr Kommunen in der Region aufgrund der eigenen finanziellen Not Gebrauch. Nach Aschersleben, Staßfurt, Bitterfeld-Wolfen auch Bernburg. Seit Januar 2016 erhebt der Salzlandkreis die Umlage, seit August 2016 die Stadt Bernburg und seit Januar 2017 auch die Bernburger Freizeit GmbH. (mz)

Die Turnhalle in Peißen stammt aus den 1950er Jahren. Weil sie schlecht gedämmt ist, sind die Betriebskosten extrem hoch. Bisher hat sich noch kein Käufer gefunden.
Die Turnhalle in Peißen stammt aus den 1950er Jahren. Weil sie schlecht gedämmt ist, sind die Betriebskosten extrem hoch. Bisher hat sich noch kein Käufer gefunden.
Archiv/Pülicher