Bernburg Bernburg: Watend zum «Wasserwandern»
BERNBURG/MZ. - Gerd Wunderlich ist mit Leib und Seele Kneiper. Im Juni dieses Jahres werden es 25 Jahre, in denen er in der Gaststätte "Wasserwandern" hinter dem Tresen steht. Daher wurmt es ihn, derzeit zur Untätigkeit gezwungen zu sein. Denn die Gaststätte, direkt an der Saale gelegen, steht komplett unter Wasser. Auch rund um das Haus - nur Wasser. Wunderlich lässt es sich dennoch nicht nehmen, zweimal täglich zur Gaststätte zu fahren beziehungsweise zu gehen und nach dem Rechten zu sehen. "Der wird zu Hause sonst ganz rammdösig", sagt seine Frau Irena Wunderlich, die nur aus der Ferne vom nahe gelegenen Einheit-Sportplatz zusehen kann, wie sich ihr Mann mit Wathose durch die starke Strömung kämpft. Da bekommt der Name "Wasserwandern" gleich eine ganz andere Bedeutung. Sie selbst hatte es in der vergangenen Woche zuletzt versucht, doch die Strömung war zu stark für die zierliche Frau. Seither erfährt sie nur aus Berichten ihres Mannes, wie es aktuell im Haus aussah. 35 Zentimeter hoch stand das Wasser am Dienstag in der Kneipe. "So hoch stand das Wasser noch nie", erzählt Wunderlich. Nicht während des Hochwassers 1994 und auch nicht 2003.
Gerade noch rechtzeitig hatten Wunderlichs vor einer Woche einen Teil der Möbel höher gestellt, ebenso die Kühlschränke. Nur eine Gefriertruhe konnten sie nicht mehr vor dem Wasser retten. "Und einen Teil der Schränke können wir sicher auch wegschmeißen", meint Gerd Wunderlich. Das war vor acht Jahren nicht anders. Besonders ärgerlich findet das Gastwirtehepaar, dass der Fußboden, den sie erst im Frühjahr vergangenen Jahres neu verlegt hatten, wohl nicht mehr zu retten ist. "Den ganzen Schaden", weiß Wunderlich aus Erfahrung, "sieht man aber erst, wenn das Hochwasser weg ist." Schon jetzt wiegt aber der Verdienstausfall schwer.
Dennoch, Gerd Wunderlich ist optimistisch. Wenn es nach ihm ginge, stünde er heute, spätestens morgen wieder in seiner Kneipe, um sie für das Wochenende herzurichten. "Samstag und Sonntag will ich Kneipe machen", sagt er beinahe trotzig.
Auch Ralf Sommerlatte hofft, das Kegel-Freizeit-Center in der Bernburger Krumholzallee bald wieder öffnen zu können. "Da hängen schließlich auch Arbeitsplätze dran", sagt der Pächter der Gaststätte. Seit Dienstag ist das Lokal dicht. Das Wasser steht zwar nicht im Haus, aber rund herum. "Es steht einen halben Meter vor der Kegelbahn und eineinhalb Meter auf dem Parkplatz", beschreibt Sommerlatte, der selbst nur mit einer Wathose zum Gebäude kommt. Ebenfalls geschlossen hat das Fitness-Studio "Injoy Fitness-Club" nebenan. "Im Haus ist kein Wasser", sagt Pächter Ingolf Winkler. Aber auch das Fitness-Studio erreicht man maximal in Gummistiefel. Sobald das Hochwasser zurück gegangen ist, will Winkler wieder öffnen. "Wir könnten sofort wieder aufmachen. Wir stehen in den Startlöchern", versichert er.
Die Bernburgerin Ramona Rosemeier hat sich indes mit dem Wasser arrangiert. Die 33-Jährige wurde in den letzten Tagen - unfreiwillig - zum Freizeit-Kapitän: Seitdem die Straße am Platz der Jugend für Autos gesperrt ist, fährt sie täglich mit dem 20 Jahre alten Schlauchboot einer Tante von ihrem Haus Am Rodelberg zum Platz der Jugend. Für die rund 300 Meter lange Strecke benötige sie in der Regel zehn Minuten, erzählt sie. Dort steigt sie auf dem Parkplatz ins Auto um, um zur Arbeit in einem Baumarkt zu gelangen. Und auch ihren sechsjährigen Sohn Joey bringt sie auf diese Weise in den Kindergarten "Regenbogen" in der Schillerstraße und wieder zurück nach Hause. Joey findet es jedenfalls "Klasse!" Welcher Junge wird sonst mit dem Boot zum Kindergarten chauffiert?