"Sag mir wo die Blumen sind" "Sag mir wo die Blumen sind": Rockband City macht auf Candlelight-Tour Stattion in Aschersleben

Aschersleben - Eigentlich wäre ein Lagerfeuer vor der Bühne im Bestehornhaus schön gewesen. Das findet zumindest Toni Krahl, der Sänger der Berliner Rockband City. Doch das Lagerfeuer müssen sich die Fans und Konzertbesucher in Aschersleben diesmal vorstellen.
Auch auf den großen Kandelabern auf der Bühne gibt es nur elektrisches Licht. Aus Brandschutzgründen, klar. Doch die Atmosphäre gleicht ein klein wenig dem Zauber der Lager, die viele der heute meist 50- bis 70-Jährigen im Saal in ihrer Jugend erlebt hatten.
Und dazu spielt die Band, die bald 50 Jahre alt wird, „Sag mir, wo die Blumen sind“. Ein Antikriegslied, das einst Pete Seeger schrieb und das in Deutschland durch Marlene Dietrich bekannt wurde. Und von City 1983 für die LP „Unter der Haut“ gecovert wurde.
Die über 400 Plätze im Bestehornhaus in Aschersleben sind fast ausverkauft
City ist auf „Candlelight-Tour“. Die über 400 Plätze im Bestehornhaus sind fast ausverkauft. „Wir verbinden mit City Erinnerungen an die 1980er Jahre“, sagen Liane und Michael Plumbohm, die erstmals bei einem Konzert der Band sind. Die Karten waren ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann, sagt die Ascherslebenerin, die einst gern bei den Kuschelrunden der Diskos zu „Am Fenster“ tanzte.
Sie wollten sich von den neuen Liedern überraschen lassen. „Die kennen wir weniger.“ Eine 64-Jährige aus dem Mansfelder Land war bei den „Rocklegenden“ – einer Konzerttour der Ostrocker von City, Karat und den Puhdys – und nach einem weiteren City-Konzert im November 2018 im Schlosstheater Ballenstedt so begeistert, dass sie gleich noch mal nach Aschersleben wollte.
„Ein Ultra-Fan bin ich nicht, aber es ist eine eingängige Musik. Die hat mich von Jugend an begeistert.“ Sänger Toni Krahl verstehe sein Handwerk. „Er nimmt die Leute mit“, findet sie.
Abstand der ersten Reihe zur Bühne ist zu groß, es dauert, bis der Funke überspringt
Ehe der Funke im Bestehornhaus überspringt, dauert es allerdings lange. Der Abstand der ersten Reihe von der Bühne ist groß, und nur vereinzelt stehen in der ersten Konzerthälfte Zuschauer auf, tanzen und singen mit. Dabei spielt die Band eingängige Songs. Doch „Danke Engel“, „Sommerherzen“ oder „Träume“ sind erst nach der Wende entstanden.
„Sind so kleine Hände“ covert die Band von Bettina Wegener: „In Zeiten wie diesen, wo die Hasspeitschen knallen. Wo Menschen sich töten, um Gott zu gefallen“ geht es in diesem Lied um gewaltfreie Erziehung von Kindern. Es sorgt für Gänsehaut und viel Beifall. Das Wichtigste im Leben seien Liebe, Geborgenheit, Vertrauen und Mut, gibt City mit auf den Weg. „Grade klare Menschen wären ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel“, heißt es im Lied.
Krahl erzählt Anekdoten und liest aus seinem Buch „Rocklegenden“ vor
„Lieben und lieben lassen“, „Es ist immer noch Sommer“ und „Flieg ich durch die Welt“ gehören zu den neueren Songs mit Hitpotenzial, die aber auf Radiostationen nicht zu hören sind. Doch das Publikum klatscht mit. Krahl erzählt Anekdoten über Männer und Frauen, die Erkennbarkeit des aktuellen Standes des Liebeslebens am Umgang mit dem Sonntags-Ei sowie die vier größten Feinde des Sozialismus.
Er liest aus seinem Buch „Rocklegenden“ vor: Weshalb „Am Fenster“ 1978 in einem Puff auf der Hamburger Reeperbahn bei den Damen so beliebt war. Und er erzählt über einen trinkfesten Schlagerbarden bei der Rocklegenden-Tour. Krahl erinnert an verstorbene Musiker. Er stimmt ein Lied für Tamara Danz an, einst Silly-Frontfrau, ehe es mit dem Instrumentalstück „Highway zum Olymp“ zur Pause geht.
Auf bekannte Hits aus „Casablanca“ müssen die Fans warten
Auf die bekannten Hits der LP „Casablanca“ müssen die Fans warten, denn die Band kehrt mit aktuellen Songs der Doppel-LP „Das Blut so laut“ auf die Bühne zurück. Der Titelsong ist ein altersgemäßes aber starkes „Upgrade“ von „Unter der Haut“.
Alle Lieder kommen an. Dann erklingen die erwarteten Oldies. Von „Nachts in meinen Träumen“, „Wand an Wand“, über den „Pfefferminzhimmel“, bei dem jetzt statt „Keks und Kleingeld“ „Koks“ eingepackt wird.
Als dann „Am Fenster“ gespielt wird, stehen die meisten Besucher im hinteren Teil des Saals, singen und klatschen mit. „Des Teufels erster Geiger“, DDR-Kulturpreisträger „Don“ Georgi Gogow, ist mit seinem Instrument der Star. Er genießt den Beifall.
Geiger Georgi Gogow genießt den Beifall de Publikums im Bestehornhaus
Fritz Puppel, der Mann mit dem John-Wayne-Hut, hat schon zuvor aus seiner Gitarre feinste Töne geholt. Schlagzeuger Klaus Selmke trommelt mit Gehörschutz. Krahl weist die Damen darauf hin, dass das „Küken“ im Keyboard-Nest, Manfred Hennig, auch keine 60 mehr ist, und hat so die Lacher auf seiner Seite.
City ist zwar fast 50, aber noch lange nicht in der Rocker-Rente. Es ist eine Band, die sich nie auf Lorbeeren ausgeruht und sich die Kreativität für neue Songs bewahrt hat. Fast alle drei oder vier Jahre erscheint ein neues Album. Dass die Band kaum im MDR zu sehen ist, wird bedauert. „Aber bei Florian Silbereisen ist ein Platz frei geworden“, weiß Bandleader Toni Krahl. Er hofft wohl auf eine Einladung.
„Bei Florian Silbereisen ist ein Platz frei geworden“
Iris Seidig aus Mehringen hat sich beim Konzert gleich mit den neuesten CDs versorgt. Ihr Sohn Bruno (10) zählte zu den jüngsten Konzertbesuchern. „Ich kenne ein bisschen was“, sagt er. Die besten Songs liefen schon vorher im Autoradio der Mutter. „So vor 35 Jahren habe ich sie mal im Filmpalast gesehen“, erinnert sie sich. „Mir gefiel es sehr gut.“ Und auch eine Besucherin aus Staßfurt erklärt, „vom Musikalischen her ist City richtig toll“.
(mz)
