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Gemeinsame Bestattung Mensch-Tier-Bestattungen in Aschersleben bald möglich?

Von Susanne Thon 07.09.2016, 08:43
Ellen Zastrow-Hoff, hier mit Labrador Sammy, kann sich vorstellen, das Grab eines Tages mit ihrem Liebling zu teilen.
Ellen Zastrow-Hoff, hier mit Labrador Sammy, kann sich vorstellen, das Grab eines Tages mit ihrem Liebling zu teilen. Frank Gehrmann

Aschersleben - Als Inka starb, war ihr Frauchen Ellen Zastrow-Hoff am Boden zerstört. „Es ist schlimm, wenn man so ein Tier verliert.“ 13 Jahre lang hat der West Highland White Terrier, so ein kleiner Weißer, wie man ihn aus der Hundefutter-Werbung kennt, die Ascherslebenerin begleitet. Dann wurde Inka schwer krank. Ein Schlaganfall setzte dem Tier zu. Wasser in der Lunge gab ihm den Rest. Um das Leiden zu beenden, ließ die 50-jährige Altenpflegerin ihren Liebling einschläfern - und begrub ihn im Garten. Andere Möglichkeiten gab es in ihrer Heimatstadt damals nicht.

Doch schon in naher Zukunft könnte das anders aussehen: Wenn der Stadtrat am Mittwochabend zustimmt, wird der Friedhof in Aschersleben (Salzlandkreis) der erste in Ostdeutschland und der vierte deutschlandweit sein, auf dem Mensch-Tier-Bestattungen erlaubt sind (siehe „Wenn die Familie...“). Für Ellen Zastrow-Hoff wäre das „eine ganz tolle Sache“. Ihre Tierliebe geht so weit, dass sie sich vorstellen kann, eines Tages ein Grab mit ihrem Vierbeiner zu teilen. Denn ob Inka, „Whitie“ oder der Labrador Sammy, der seit drei Jahren der Hund an ihrer Seite ist: „Das sind Familienmitglieder wie mein Mann und meine Tochter.“

Bei minimalen Pflegeaufwand maximale Individualität

Auf einem neu angelegten Gräberfeld, das verschiedene Grabarten, angefangen von der Anlage für die Sternenkinder bis hin zu Baumbestattungsplätzen, miteinander vereint, wurden in den vergangenen Monaten auch 20 Grabstellen für jeweils zwei Human- und Tierurnen geschaffen. Frauchen, Herrchen, Hund und Katze dürften also in einem Grab bestattet werden.

Wenn Hund und Katze als erstes gehen, könnten ihre Urnen entweder zuerst in die Erde gebracht oder aber nach dem Tod des Halters diesem als Grabbeigabe mitgegeben werden. Überleben die Tiere diesen, wäre es den Angehörigen möglich, sie auch noch nach Jahren beizusetzen, erklärt André Könnecke, der Leiter des städtischen Bauwirtschaftshofes, der auch den Friedhof unterhält. Kosten würde eine solche Grabstelle für 15 Jahre knapp 760 Euro. Plus Einfassung und Grabstein, auf dem auch der Tiername verewigt werden dürfte.

Vorreiter in puncto Mensch-Tier-Bestattung ist die Deutsche Friedhofsgesellschaft. Mit dem Namen „Unser Hafen“ betreibt sie in Essen (Nordrhein-Westfalen) und Braubach bei Koblenz (Rheinland-Pfalz) seit einem guten Jahr auf Flächen der evangelischen Kirche zwei Friedhöfe für Mensch und Tier.

Das Familienunternehmen bietet fernab der Klassiker unterschiedliche Formen der Beisetzung an, etwa im Blumengarten, im Ruhewald und am Weinstock - oder auf einem Mensch-Tier-Friedhof. Die „Produktvielfalt“, wie sie Unternehmenssprecher Willi Brandt nennt, resultiert aus derselben Erkenntnis, die auch die Friedhofsverwaltung in Aschersleben gewonnen hat: „Die Friedhofskultur hat sich dramatisch verändert.“

Von der Wirtschaftlichkeit her, sagt Brandt, rechne sich die Mensch-Tier-Bestattung allein nicht. Zehn Beisetzungen habe es bisher gegeben. Aber „wir möchten was bewirken. Wir sehen jeden Tag, wie schwer es den Menschen fällt, Abschied zu nehmen. Da soll jeder das passende Angebot für sich finden.“ Für Tierfreunde sei es eben einfacher, wenn sie sich sagen können: Wir bleiben eine Familie. „Das hat was Tröstliches“, so Brandt.

Die katholische Kirchengemeinde St. Benedikt in Grefrath hat im März den Weg für Mensch-Tier-Bestattungen frei gemacht. Allerdings dürfen in der nordrhein-westfälischen Gemeinde die Tierurnen erst nach dem Halter beigesetzt werden, und Inschriften auf den Grabsteinen, die an die Haustiere erinnern, sind verboten. Und auch in Forst in Brandenburg soll bis Anfang kommenden Jahres eine Anlage entstehen, auf der Mensch und Haustier in einem Grab bestattet werden können.

Wie Könnecke sagt, hat sich die Bestattungskultur in den vergangenen Jahren geändert: Nicht nur, dass 91 Prozent aller Bestattungen in Sachen-Anhalt (Stand: 2015) Urnenbeisetzungen ausmachten, „die Kunden wünschen sich bei einem minimalen Pflegeaufwand auch maximale Individualität“. Aus diesem Grund sollte man neben herkömmlichen Erd- und Urnenwahlgrabstellen auch andere, zeitgemäße Angebote unterbreiten, meint Könnecke. Wobei Mensch-Tier-Bestattungen gar nicht so neu sind. Vor 12 000 Jahren wurde diese auf dem Gebiet des heutigen Israel schon praktiziert. Und im frühen Mittelalter beerdigten die Germanen Verstorbene mit ihren Pferden.

Gegner der Tier-Mensch-Bestattung

„Das Interesse ist auf jeden Fall da“, sagt Könnecke. Gleich mit Bekanntwerden des Vorhabens meldeten sich die ersten Tierhalter in der Friedhofsverwaltung, darunter auch ein Ehepaar. Der Mann und die Frau, beide an die 80, wollen ihre zwölf Jahre alte und gesundheitlich schon angeschlagene Norwegische Wildkatze Mausi für alle Zeiten bei sich wissen: „Wir hatten immer Katzen, aber das wird unsere letzte sein. Wir haben sie gern und möchten sie mitnehmen.“

Doch nicht alle sind der Mensch-Tier-Bestattung gegenüber derart aufgeschlossen. Das hat auch Ellen Zastrow-Hoff schon festgestellt. Wie bedingungslos die Liebe eines Tieres sei und wie innig die Beziehung zum Halter, „das können einige nicht nachvollziehen“.

Und so regte sich zuletzt Widerstand in der CDU/FDP-Fraktion des Stadtrates. „Grundsätzlich sollte jedem überlassen sein, wie er beerdigt wird“, sagt der Fraktionsvorsitzende Ralf Klar (CDU), schränkt aber auch ein: „Wir haben hier viele Arten von Grabstätten und schon einen Tierfriedhof. Ich stelle mir da die Frage, ob man auf jeden Zug aufspringen muss.“ Seine Ablehnung begründet Klar auch mit den Investitionskosten. Die belaufen sich für die gesamte Anlage auf 200 000 Euro.

"Asche ist die sauberste Sache der Welt"

Die Tierbestatterin Irene Altena, die seit vier Jahren einen kleinen Tierfriedhof in Aschersleben betreibt - auf einem Teil des Friedhofs mit separatem Zugang -, begrüßt dagegen die geplanten Mensch-Tier-Bestattungen. Viele ihrer Kunden würden die Urnen mit der Asche ihrer Lieblinge zu Hause aufbewahren. Im Gegensatz zu Humanurnen sei das bei Tierurnen - es gibt spezielle Tierkrematorien - möglich. „Der Wunsch, die Urne mitzunehmen, wenn die Halter sterben, ist schon mehrfach an mein Ohr gedrungen“, sagt sie. „Da kann auch nichts gegen sprechen. Asche ist die sauberste Sache der Welt.“

Ganz ähnlich sieht das auch der Fachdienst für Veterinärangelegenheiten des Salzlandkreises: Mit der Einäscherung der Tiere sei der Tierseuchenvorsorge Rechnung getragen, heißt es in einem Schreiben an den Bauwirtschaftshof, das auch der MZ vorliegt. Und weiter: „Von Seiten unserer Fachbehörde erfolgt keine Reglementierung.“ Und das Landesverwaltungsamt teilt mit: „Falls der örtliche Pietätsrahmen und die Bestattungswürde nicht verletzt werden, könnte die Widmung des Friedhofes auch die Beisetzung von Tieren einschließen.“ Lediglich die Satzung müsse angepasst werden. Und die zu beschließen, obliegt dem Stadtrat. Nicht nur Ellen Zastrow-Hoff hofft darauf: „Auch wenn das nicht jedermanns Sache ist, wäre es schön, wenn Tierfreunde die Möglichkeit hätten.“  (mz)