Erzieher im Kinderheim Arbeit als Erzieher im Kinderheim Westdorf bei Aschersleben: Martin Leschner hat Traumberuf gefunden

Westdorf - Keine Leute, keine Leute! Die Klagen, die viele Ältere noch aus DDR-Zeiten kennen, sind längst auch in der Gegenwart angekommen. Jetzt heißt es: keine Fachleute. Die werden inzwischen in vielen Branchen händeringend gesucht. Und: Die Situation dürfte sich sogar verschärfen. So will beispielsweise in den kommenden Jahren jeder vierte niedergelassene Arzt in Deutschland in den Ruhestand gehen.
Nach einer Studie der Universität Rostock dürften vor allem die Fertigungsberufe wie Dreher und Chemiearbeiter, die sogenannten MINT-Berufe in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sowie die Gesundheits- und Pflegeberufe große Nachwuchsprobleme bekommen.
Viele Lehrer und Erzieher im Salzlandkreis sind älter als 50 Jahre
Ähnlich düster sieht es bei den Lehrern und Erziehern aus. Nach Auskunft der Arbeitsagentur Bernburg waren hier im Jahr 2017 von den im Salzlandkreis insgesamt 2.636 Beschäftigten mehr als 1.700 älter als 50 Jahre. Das entspricht 65 Prozent aller Beschäftigten im Bereich Bildung und Erziehung. 21 Prozent waren sogar älter als 60 Jahre.
Das Problem: Die Nachwuchsgewinnung dümpelt vor sich hin. „Die Erzieherausbildung ist derzeit für junge Menschen noch recht unattraktiv. Sie dauert lange und es gibt keine Ausbildungsvergütung“, erklärt die Chefin der für den Landkreis zuständigen Agentur für Arbeit, Anja Huth.
Sie hofft auf Innovationen des Landes Sachsen-Anhalt. Und sie nennt ein Beispiel aus Sachsen: „Dort sind bei einer dreijährigen Vollzeitausbildung das Anerkennungsjahr beziehungsweise das Berufspraktikum Inhalt der Ausbildung.“ Das mache es leichter, für den Erzieherberuf zu werben, so Huth.
Martin Leschner arbeitet seit zwei Wochen im Kinderheim Westdorf
Inzwischen bemühe man sich auch darum, den Anteil der Männer in dem ansonsten vermeintlich typischen Frauenberuf zu erhöhen. Einer, der diese Gelegenheit bereits ergriffen hat, ist der 34-jährige Martin Leschner. Seit zwei Wochen arbeitet er als Erzieher und Teamleiter im Kinderheim Westdorf, eine Außenwohngruppe des Kinder- und Jugendhilfezentrums Groß Börnecke.
Auch wenn er jeden Tag von Magdeburg in den Ascherslebener Ortsteil pendelt, mache ihm die Arbeit hier Spaß und viel Freude. Leschner ist sich sicher, seinen Traumjob gefunden zu haben.
Das Studium zum Berufsschullehrer entsprach nicht Leschners Interessen
Dabei verlief Martin Leschners bisherige Berufsausbildung nicht ganz gradlinig. Von seinen Eltern inspiriert – der Vater ist Inhaber einer Metallbaufirma, die Mutter Grundschullehrerin – begann er ein Studium zum Berufsschullehrer. Merkte allerdings, dass das nicht sein Ding sei.
Schließlich brach er das Studium ab. Dann erfuhr er von einem Programm für Studienabbrecher, packte diese Gelegenheit beim Schopf und begann die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. Ein Faible für die Pädagogik habe er schon gehabt. Schließlich habe er unter anderem bereits privat Nachhilfeunterricht gegeben sowie unbegleitete junge Ausländer betreut.
Dazu kam, dass das Kinder- und Jugendhilfezentrum Groß Börnecke Erzieher suchte. Nachdem Martin Leschner die Theorieprüfung längst bestanden hat, steht demnächst die Praxis ins Haus. Dafür fühlt er sich aber gut vorbereitet.
Auch wenn er es heute anders sieht: Den Ausschlag, sich für eine Erzieherausbildung zu entscheiden, habe auch die Tatsache gegeben, dass er im Jugendhilfezentrum vor allem mit älteren Kindern und Jugendlichen arbeiten kann. Erzieher in einer Kita, das hätte er sich damals nicht vorstellen können, gibt er zu.
Vorbehalte gegen einen Mann im Sozialberuf hat Leschner nicht erlebt
Spannend sei es, die Kinder und Jugendlichen während eines wichtigen Abschnitts ihres Lebens und im ganz normalen Alltag zu begleiten. Und er ist überzeugt davon, dass es nur wenige Berufe gibt, in denen man seine persönlichen Interessen so einbringen kann wie als Erzieher. So habe er sich beispielsweise vor zwei Jahren das Gitarre- und Ukulelespielen selbst beigebracht. Damit begeistere er jetzt auch die Kinder. Dazu kommen andere Hobbys wie Angeln, Sport und der Aufenthalt in der Natur. Und er wisse von einem anderen Kollegen, dass der sich derzeit zum Waldpädagogen ausbilden lasse.
Vorbehalte, dass er in einem typischen Frauenberuf arbeite, seien ihm übrigens noch nicht begegnet. Da bewege sich wohl gerade etwas in der Gesellschaft. (mz)