1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Zweite Chance für flüchtige Flirts

Zweite Chance für flüchtige Flirts

Von Silke Katenkamp 04.09.2009, 12:59

Berlin/dpa. - Sebastian trifft es eines Morgens im August in der Berliner U-Bahnlinie U9. Ein wunderschönes Mädchen steigt ein und schaut ihn an. Sebastian blickt zurück, das Mädchen senkt den Kopf.

Drei Minuten später hält die U-Bahn am Zoologischen Garten. Die Türen öffnen sich, Sebastian lächelt, das Mädchen steigt aus, lächelt zurück, die Bahn fährt weiter - und mit ihr ein verliebter Sebastian.

So wie ihm ergeht es jeden Tag Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Ob in U-Bahn, Supermarkt oder auf der Straße: Ein verstohlener Blick, ein schüchternes Lächeln - doch bevor man sich traut nach dem Namen zu fragen, ist der andere im Großstadtgetümmel verschwunden. Zu welch einem Gefühlschaos ein solcher Augenblick führen kann, wusste schon der französische Lyriker Charles Baudelaire: «zu spät! wohl nie: Ich weiß nicht, wo du gehst, du nicht, wohin ich flieh ... Dich hätte ich geliebt, und du hast es gewusst», schrieb er im 19. Jahrhundert in seinem Gedicht «An eine Vorübergehende».

Zu Baudelaires Zeiten blieb den Verliebten nicht viel mehr übrig, als auf ein zufälliges Wiedersehen zu hoffen. Heutzutage gibt das Internet Hoffnung auf ein Happy-End. Ob in Deutschland, Frankreich oder den USA: Verschiedene Websites wollen Verliebten dabei helfen, flüchtige Flirts wiederzufinden.

«Augenblicke» heißt zum Beispiel ein Portal der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG). Dort können schüchterne Hauptstädter Nachrichten für ihre Bus- oder Bahnbekanntschaft hinterlassen. Mit einer Suchmaske, die die Anzeigen nach Ort und Zeit sortiert, kann die Plattform dann nach Liebesbotschaften durchforstet werden.

«Als du am Zoo ausgestiegen bist, haben wir uns angelächelt. Das hat mich umgehauen», schreibt Sebastian, in der Hoffnung, dass die schöne Unbekannte einen Blick auf die Seite wirft und sich erkennt. Ob das Mädchen sich gemeldet hat, bleibt sein Geheimnis. Antworten gehen direkt an den Annoncenschreiber, außerhalb des Forums.

Die Idee für die Flirtseite hatten Mitarbeiter der BVG vor ein paar Jahren, nach dem Anruf eines verzweifelten Mannes. «Er sagte, er habe in der U-Bahn die Frau seines Lebens gesehen und wir müssten ihm helfen», erzählt Pressesprecherin Petra Reetz. Sie entwickelten dann das Web-Portal, das am Valentinstag 2007 online ging - und monatlich bis zu 120 000 Mal angeklickt wird.

In den kurzen Nachrichten beschreiben die Verfasser meist Äußerlichkeiten («Du: blond mit französischem Zopf, einfach bezaubernd. Ich: türkisfarbenes Shirt, faszinierter Blick und offenbar ein wenig zurückhaltend») und den Moment des Zusammentreffens. Das Ergebnis sind lustige, prickelnde oder romantische Anekdoten, die hinter die Fassade der häufig so abwesend wirkenden Mitfahrenden blicken lassen.

«Ich musste in eine supervolle S-Bahn am Bahnhof Wedding einsteigen. Du auch, dann standen wir Bauch an Bauch, Brust an Brust», schreibt etwa Marathonmann. Sahnetorte10 verliebte sich dagegen in der U5: «Wir mussten beide lachen, als die ältere Dame sich neben mich setzen wollte und dabei auf dem Schoß des älteren Herren neben ihr landete.»

Ähnlich ist der Tenor auf französischen oder amerikanischen Webseiten. Bei der Suche nach dem Glück ist man dort aber schon viel weiter. Das französische Angebot «dilelui.com» etwa beschränkt sich nicht nur auf Bus und U-Bahn, sondern hat den Service auf alle öffentlichen Plätze ausgeweitet, wie Supermarkt, Bibliothek oder Park. Mehr als 17 000 Suchende haben dort eine Anzeige laufen.

Das Portal, das am weitesten reicht, ist wohl das populäre Kleinanzeigenportal «craigslist.com» aus den USA. Neben den unzähligen Gesuchen etwa nach Zimmern, Jobs und Möbeln können Verliebte dort unter der Rubrik «Verpasste Gelegenheiten» auch die verschwundene Bekanntschaft suchen - und zwar in mehr als 50 Ländern.

Das die Suche im Internet durchaus erfolgreich sein kann, zeigt das Beispiel von Patrick Moberg aus New York. Nachdem er seinen U-Bahn-Flirt 2007 entwischen ließ, gestaltete er die Webseite «nygirlofmydreams.com», mit einem selbstgemalten Bild von sich und der Angebeteten. Nur zwei Tage später meldete sich die 23 Jahre alte Australierin Camille Hayton. Die Geschichte, die Millionen von Amerikanern berührte, hatte jedoch kein Happy-End: Zwar gingen die beiden ein paar Mal miteinander aus. Heute sind sie, wie Hayton den Medien erklärte, aber «nur Freunde».

Meine Augenblicke (Berlin): www.bvg.de/index.php/de/Bvg/Index/folder/1194

Flirtseite aus Frankreich: www.dilelui.com

Kleinanzeigen (weltweit): www.craigslist.com