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Zucht Zucht: Wunder in der Garage

Von IRIS STEIN 15.05.2009, 17:38

Halle/MZ. - Nicht nur, dass sie hier auch Krebse, Garnelen, Killer- und ehrlich!! Rennschnecken entdecken können, sie lernen zugleich auch ein ganz ungewöhnliches kleines Familienunternehmen kennen.

"Ich glaube, nur im Schlafzimmer hatten wir kein Aquarium", erinnert sich Mutter Helga Mädel an vergangene Zeiten. Damals waren die Fische das Hobby der Familie, allerdings auch seinerzeit ein schon mit aller Leidenschaft betriebenes. Mädels hielten sich nicht nur Fische, sondern sie züchteten sie auch und sie tauschten, diskutierten und wurden unter Aquarianern anerkannte Fachleute.

Vorbei mit der Wende, kein Becken zierte mehr die Wohnung, auch gezüchtet wurde nicht mehr. Und Helga Mädel wurde auch noch arbeitslos. Nach Jahren wagte sie schließlich einen ungewöhnlichen Schritt und machte sich mit 53 Jahren 2001 selbständig. Sie hatte sich an das Hobby erinnert, "die Becken waren noch da, der Platz auch - da brauchte ich nur noch ein bisschen Mut." Und vielleicht fachliche Anleitung fürs Geschäftliche, aber auch die war zur Stelle. Tochter Manuela studierte inzwischen Betriebswirtschaftslehre und verfasste ihre Abschlussarbeit an einem praktischen Beispiel: an der Existenzgründung der Mutter, der sie so zugleich manchen Rat vermitteln konnte.

Drei Garagen stehen aneinander auf dem Grundstück in der Hettstedter Hadebornstraße, die wurden umgebaut, isoliert und hergerichtet, dann konnte es losgehen - in einer Garage starteten immerhin schon ganz andere Unternehmensgründer. "Das Ziel war, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben und kranken- und rentenversichert zu sein", holt Helga Mädel Träumer auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch dass die Sache mit den Zierfischen so gut laufen würde, das, gibt sie zu, hat sie denn doch nicht erwartet.

Mädels guter Ruf war unter Aquarianern nicht vergessen worden. Die Kunden kamen und schnell wurde klar, dass auch Tochter Manuela Graw mit einsteigen konnte. "Ich habe mich zum Ende des Studiums dann gar nicht mehr beworben, sondern gleich gewusst, ich mache bei der Fischzucht mit", erzählt die 34-Jährige. Vor sechs Jahren hat sie das Geschäft der Mutter übernommen. Ein Geschäft, das Spaß macht und das sie von der Pike auf kennt. "Ich bin ja mit Fischen groß geworden", sagt sie in Erinnerung an das Hobby der Eltern. Nur allzu oft war sie als Kind mit ihnen am Wochenende unterwegs - auf Wasserfloh-Fang.

Von Hobby allerdings kann bei der Garagen-Zucht nicht mehr die Rede sein. Wie viele Becken es sind? "Keine Ahnung", sagen Mutter und Tochter unisono. Hinter dem Verkaufsraum liegen noch zwei Zuchträume und in jedem reichen die Glasbehälter aller erdenklichen Größen bis unter die Decke. Allein Verkaufsbecken sind es um die 40 Stück. 20 Kubikmeter Wasser enthalten sie jedenfalls, das wissen beide ganz genau. Immerhin zehn Kubikmeter Wasser werden jeden Monat zum Wechseln benötigt. Noch weniger klar ist, wie viel Getier sich im Wasser tummelt, denn durch Zucht und Verkauf ändert sich die Anzahl ständig. Auf weit über 10 000 Exemplare schätzt Manuela Graw den Bestand.

Der hält sie in Schach und nicht selten fasst auch Helga Mädel noch mit an. Jede Woche ist auf einer Seite des Verkaufsraums Großreinemachen der Becken angesagt, dazu kommen die Überwachung der Zucht und der Einkauf von Fischen. Jetzt, wo die Teichfisch-Saison begonnen hat, lässt es sich die Chefin nicht nehmen, die begehrten Kois selbst beim Großhändler auszusuchen. Aber nicht nur die gibt es in den zehn 600-Liter-Kübeln, die außerhalb der Garagen noch zusätzlich auf dem Grundstück stehen, sondern auch Störe, Graskarpfen, Orfen, Sonnenbarsche, Rotfedern und Moderlieschen. Wer einen Naturteich hat, möchte auch heimische Fische darin.

Die echten Raritäten, die sind allerdings das Salz in der Suppe. "Um die bemühen wir uns besonders", sagt Manuela Graw und dafür wird Mädels Zierfischzucht auch unter Kennern geschätzt. Bestimmte Wels-Arten gehören beispielsweise dazu, in Form, Farbe und Zeichnung ausgefallene Guppys oder Diskus-Fische, Kampffische, die schon in einer Größe von zwei Millimetern eine Gefahr füreinander sein können und deshalb sortiert werden müssen ("Mit dem Kaffeelöffel."), die erwähnten Halbschnäbler, Zwergkrebse und winzige Garnelen.

Und wer kauft sie nun? "Männer", sagen die beiden Frauen. Aquaristik sei eine Männer-Leidenschaft behaupten sie - und sind selbst der lebende Gegen-Beweis.

Mehr Informationen:

www.mädels-zierfischzucht.de