Vitaminreiches DDR-Erbe Vitaminreiches DDR-Erbe: Sanddorn heute stark im Kommen

Ludwigslust - Auf den Sanddorn-Plantagen rund um das mecklenburgische Städtchen Ludwigslust bieten sich im Frühherbst Bilder wie aus längst vergangenen Zeiten. Muskulöse Männer rücken mit Astscheren endlosen Reihen dorniger Büsche zu Leibe. Zweige, prall besetzt mit kleinen, orangeroten Beeren, fallen ins Gras. Erntehelfer sammeln sie in Kisten, ein Trecker fährt sie weg. „Die Sanddorn-Ernte ist eine aufwendige Sache“, sagt Daniel Schönfelder von der Sanddorn Storchennest GmbH, die Deutschlands traditionsreichstes Anbaugebiet rund um Ludwigslust betreibt.
Anfang der 1980er Jahre ließ die DDR-Führung Sorten für den kommerziellen Anbau entwickeln und auf den sandigen Böden um Ludwigslust pflanzen. Ursprünglich stammt Sanddorn aus dem eurasischen Raum, er wächst in Tibet, China und der Mongolei, erklärt Friedrich Höhne von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in Gülzow bei Güstrow. Längst wächst die Pflanze auch hierzulande, am besten auf mageren Böden. „Es ist die heimische Obstart mit dem höchsten Wirkstoffgehalt“, so Höhne. So sei der Vitamin-C-Gehalt sieben Mal höher als jener der Zitrone. Das interessierte die DDR-Führung, die von teuren Zitrusfrucht-Importen unabhängig werden wollte. Daneben enthält Sanddorn auch Wirkstoffe wie den Vitamin-B-Komplex und Karotin.
Mit rund 100 Hektar Plantagen ist Ludwigslust ein deutsches Sanddorn-Zentrum, es gibt dort sogar eine Sanddorn-Königin. Zur Erntezeit lassen sich Touristen über die Felder führen. Bundesweit wird die Pflanze Höhne zufolge auf rund 600 Hektar gezogen. Weitere Anbauzentren sind in Brandenburg und Sachsen-Anhalt.
Die diesjährige Ernte ist bei Sanddorn Storchennest mit rund 80 Tonnen ordentlich ausgefallen. Und das, obwohl erstmals in den Plantagen Schäden durch die Sanddorn-Fruchtfliege entdeckt wurden. Rhagoletis batava legt ihre Eier in die reifenden Früchte. Die Larven fressen die Früchte von innen aus und schädigen so die Ernte. „Dass die Fliege da ist, haben wir schon vor einiger Zeit gemerkt“, sagt Schönfelder. Nach Berichten aus anderen Anbaugebieten, die schon früher mit dem offenbar aus Osteuropa eingewanderten Schädling zu tun hatten, hängte man gelbe Klebefallen in die Büsche.
Jetzt also die ersten Schäden. Guter Rat ist teuer, denn Storchennest produziert Sanddorn im Öko-Landbau. „Normalerweise ist der Öko-Anbau kein Problem, denn Sanddorn ist eine robuste Pflanze“, sagt Forscher Höhne. Doch chemische Spritzmittel, die es gegen die mit der Kirschfruchtfliege eng verwandten Sanddorn-Fruchtfliege gibt, dürfen nicht eingesetzt werden. Derzeit experimentieren die Forscher mit Pheromonfallen, die einen Lockduftstoff freisetzen, und mit der Bodenbearbeitung. „Die Made entwickelt sich in der Beere“, erklärt Höhne. „Wenn sie ausgewachsen ist, lässt sie sich auf den Boden fallen. Wenn man die Puppen dort stören würde, etwa durch eine Bodenlockerung, wäre das gut.“
Der Trecker mit den Sanddornzweigen rumpelt über die Felder zum Wirtschaftshof des Unternehmens. Dort faucht eine riesige Maschine und taucht den in der Herbstsonne liegenden Hof in dichte Dampfschwaden. Es ist minus 90 Grad kalter Stickstoff, mit dem die Beeren schockgefrostet werden. Ein Arbeiter gabelt die Zweige auf ein eingehaustes Förderband. „In gefrorenem Zustand lassen sich die Beeren gut von den Zweigen rütteln - andernfalls hätte man nur Matsch“, ruft Schönfelder gegen den Krach. Am Ende der Anlage fallen auf der einen Seite die mit Rauhreif überzogenen Beeren in große Kisten, die bis zur Lieferung an die Kunden ins Kühlhaus kommen, die andere Seite spuckt leere Zweige aus.
Geliefert werden die Beeren unter anderem an große Hersteller von Bio-Sanddorn-Säften in Deutschland. Storchennest lässt aber auch eigene Marmeladen, Säfte und Bonbons herstellen. Mancher Kosmetik-Produzent schwört inzwischen ebenfalls auf die wirkstoffreichen Beeren.
„Sanddorn ist eindeutig im Kommen“, sagt Höhne. Die Nachfrage steige, auch wegen des Trends zu heimischen Produkten. Deshalb müsse deutschen Anbauern nicht bange sein, wenn in Osteuropa Konkurrenz heranwächst. So habe Rumänien ein Anbauprogramm gestartet. Auch im Baltikum, in Nordeuropa und in Russland wird Sanddorn auf Plantagen gezogen. (dpa)

