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Unterhalt Unterhalt: Dürfen Väter Kindergeld abziehen?

Von Dorothea Reinert 25.08.2003, 17:28

Halle/MZ. - "Sinn des Ganzen ist, dass dem Kind das so genannte Existenzminimum zur Verfügung stehen soll", sagt Dr. Hans-Peter Braune vom Interessenverband Unterhalt und Familienrecht in Nürnberg auf MZ-Anfrage.

Grundsätzlich, erläutert der Fachanwalt für Familienrecht, stehe Kindergeld den Eltern zu und zwar beiden zur Hälfte. Bei Barunterhalt sei dies allerdings so geregelt, dass derjenige, bei dem das Kind lebt, von der Familienkasse das volle Kindergeld erhält - je 154 Euro für das erste bis dritte Kind.

Das Kindergeld werde also in voller Höhe an den Elternteil ausgezahlt, der das Kind betreut.

Der zur Unterhaltszahlung verpflichtete Elternteil hingegen dürfe die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes, in dem Fall also 77 Euro, von seinem für das Kind zu leistenden Unterhalt abziehen.

De facto zahle er damit weniger, als den sich auf Grund seines Einkommens und dem Alter ergebenden Tabellenunterhalt. Diese Anrechnung ist nach dem Gesetz aber nur insoweit zulässig, soweit der zum Unterhalt Verpflichtete zusammen mit seinem Kindergeldanteil das Existenzminimum des Kindes aufbringen kann.

Ist er dazu nicht in der Lage, weil er zu wenig verdient und sein Existenzminimum (Selbstbehalt) gefährdet wäre, müsse der Unterhaltspflichtige auf Grund seines geringen Einkommens den ihm - natürlich im Rahmen des Gesetzes - möglichen Betrag zahlen. In dem Fall - wenn er also sowieso weniger als das Bar-Existenzminimum aufbringt, darf er die "Kindergeld-Abzugsvariante" nicht anwenden.

Einkommensschwächere, die zum Kindesunterhalt verpflichtet sind, profitieren also nicht von den Begünstigungen, die das Gesetz bei Unterhaltszahlungen vorsieht. Ein Vater sowie das sächsiche Amtsgericht Kamenz, das den Fall in Karlsruhe zur Prüfung vorlegte, hatten darin eine Benachteiligung von Geringverdienern gesehen. Unterhaltspflichtige mit einem geringeren monatlichen Einkommen würden damit schlechter gestellt als Besserverdienende, die das Kindergeld zur Hälfte von ihrem zu leistenden Unterhalt abziehen könnten.

"Natürlich ist nicht immer mangelnder Wille der Grund dafür, dass Alimente nicht in ausreichender Höhe gezahlt werden", meint Hans-Peter Braune. "Die schlechte wirtschaftliche Lage, vor allem aber die hohe Arbeitslosigkeit, führen dazu, dass viele zum Unterhalt Verpflichtete nicht oder nicht genug zahlen können." So habe ein Erwerbstätiger in den neuen Bundesländern gegenüber einem minderjährigen Kind beispielsweise einen Selbstbehalt von 775 Euro, ein Nichterwerbstätiger von 675 Euro. Nur das, was darüber hinaus gehe, stehe letztlich als Unterhalt für die Verteilung an ein beziehungsweise mehrere Kinder zur Verfügung.

Dennoch sehe die jüngste Entscheidung der Karlsruher Richter keinen Grund für die Vorrangigkeit des zum Kindesunterhalt Verpflichteten. Vielmehr sollten die Unterhaltsleistungen dem Schließen finanzieller Lücken bei der Existenzsicherung des Kindes dienen.

"Es soll vermieden werden", so Familienfachanwalt Braune, "dass eine Mutter, die auf Grund des geringen Einkommens des Unterhaltspflichtigen sowieso weniger Kindesunterhalt erhält, dann einen noch weiter reduzierten Unterhalt bekommt. Und zwar deshalb, weil der 'Geringzahler' das halbe Kindergeld von seinem ohnehin unter dem festgelegten Unterhalt liegenden Betrag noch abzieht."

Auch wenn stets vom betreuenden Elternteil und Barunterhaltspflichtigen die Rede ist: Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts betrifft alleinerziehende Mütter und Väter gleichermaßen. Aus Braunes Sicht belaufen sich die Einkommen, ab denen sich das halbe Kindergeld nicht mehr ganz oder nur noch teilweise abziehen lassen, unterhalb einer Stufe zwischen der Einkommensgruppe 4 und 5 der Naumburger Tabelle, also unterhalb eines Einkommens von etwa 1 800 Euro netto monatlich.

Das Existenzminimum beim Kindesunterhalt, bei dem die Mutter das volle Kindergeld erhält und der Vater bei Barzahlung seinen Kindergeld-Teil abziehen darf, liegt Braune zufolge laut Naumburger Tabelle für Kinder unter sechs Jahren bei einem Unterhalt von 248 Euro, für Kinder von sechs bis elf Jahren bei 300 Euro, bei Kindern von zwölf bis 17 Jahren beziehungsweise 21 Jahren (so lange unverheiratete Kinder im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden) bei 354 Euro.

Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvL 1 / 01 und 1 BvR 1749 / 01, Beschluss vom 9. April 2003