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Cyber-Fahndung Illegale Webseite lul.to: Cyber-Fahndung schließt Webseite der Buchpiraterie

Von Steffen Könau 30.07.2017, 08:00
Die hallesche Autorin Klara Bellis bei der Arbeit am Laptop. Kaum fertig, war ihr Buch gestohlen.
Die hallesche Autorin Klara Bellis bei der Arbeit am Laptop. Kaum fertig, war ihr Buch gestohlen. Bellis

Dresden/Halle (Saale) - Wie eine Geburt fühlt es sich an, ein neues Buch endlich fertig zu haben. Klara Bellis hat die Erleichterung schon mehrfach gespürt, nach Monaten am Schreibtisch, einsam an der Tastatur, immer wieder von Zweifeln befallen, ist das gut, was ich schreibe? Wird es den Lesern gefallen? Am Ende stehe dann aber, beschreibt die Hallenserin, „die absolute Erschöpfung und gleichzeitig das Glücksgefühl, etwas geleistet zu haben“.

Das Kind geht in die Welt. Und die Zweifel kommen. Wird mein Buch den Lesern gefallen? Findet es überhaupt welche? Im Fall von Klara Bellis, die mit bürgerlichem Namen anders heißt, auf jeden Fall.

Ihre Fantasy-Romane um die Elfe Trywwidt haben viele Fans, die begeistert sind von der schrägen Geschichte um sympathische Vampire, gewissenlose Wissenschaftler und übersinnliche Erscheinungen.

Buchpiraten im Web: Autoren gehen leer aus

Umso ernüchterter ist Klara Bellis, als sie den neuen Trywwidt-Band „Falsche Freunde“ im April als E-Book veröffentlicht. „Nur einen Tag nach der Veröffentlichung tauchte es auf der Piratenseite lul.to auf.“

Der Alptraum jedes Buchautoren. Denn lul.to, eine Abkürzung für „Lesen und lauschen“, bietet E-Books nicht für zwei, drei oder acht Euro an. Sondern für 15 oder 25 Cent. Und was an Einnahmen hereinkommt, wird auch nicht mit den Autoren oder ihren Verlagen geteilt.

Das Geschäftsprinzip der Buchpiraten gleicht dem von illegalen Film- und Musikplattformen wie kinox.to, mykino.to, bs.to, mp3juices.cc oder myfreemp3.click.

Illegale Plattformen im Web: Webseite trotz Haftbefehl weiter online

Wo immer sie fündig werden, stehlen sie legale Inhalte, um sie dann über ihre eigene Seite zum Download anzubieten. Dirk B., der von Leipzig aus agierende Betreiber der 2011 geschlossenen Seite kino.to, zog mit einem zusammengeraubten Archiv an Top-Kinofilmen Millionen Zuschauer an.

Auch Kastriot und Kreshnik Selimi, die aus Lübeck stammenden Organisatoren des Nachfolgers kinox.to, kassierten Millionen Euro an Werbeeinnahmen.

Die Staatsanwaltschaft Dresden sucht die auch als Hintermänner der Portale movie4k.to oder shared.sx verdächtigen Brüder. Die aber betreiben die Seite kinox.to trotz internationalem Haftbefehls und weltweiter Fahndung ungerührt weiter.

Illegales Portal lul.to: Betreiber in Untersuchungshaft

Da die beiden Gesuchten allein Zugriff auf die Passworte der Server haben, ist es der Polizei nicht gelungen, kinox.to abzuschalten. Bei lul.to dagegen ist Schluss.

Seit einigen Tagen schon empfängt Besucher der auf der Südseeinsel Tonga registrierten Seite eine Hinweistafel der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, die das Portal im Zuge von Ermittlungen gegen die Bücherpiraten geschlossen und die gespeicherten illegalen Buchkopien beschlagnahmt hat.

Gegen drei mutmaßliche Verantwortliche aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen - zwei von ihnen nannten sich im Netz „MrDJ“ und „MrLehmann“ - wurden Haftbefehle erlassen. Sie befinden sich nach Auskunft von Oberstaatsanwalt Matthias Huber in Untersuchungshaft.

Illegales Webportal lul.to: Kundennamen und zehntausende Euro gesichert

Es wird ernst für die Straßenräuber im Netz: Wenige Woche zuvor erst war den Jenaer Urheberrechtsexperten von CounterFights ein Schlag gegen Buchpiraten gelungen, als die privaten Ermittler im Auftrag von 35 betroffenen Verlagen und Autoren einen E-Book-Anbieter mit dem Pseudonym Darkmon auffliegen ließen. „Darkmon“ hatte im Internet Links zu E-Books angeboten und so mehrere hunderttausend Euro umgesetzt.

Verglichen mit lul.to nur ein kleiner Fisch. Auf den Servern des illegalen Unternehmens fanden die Fahnder des Cyber Crime Competence Center (SN4C) vom LKA Sachsen elf Terrabyte Daten mit mehr als 200.000 E-Books und Hörbüchern.

Dazu sicherten sie auch die komplette Kundendatei mit 30.000 Namen. Zudem fielen den Ermittlern 55.000 Euro in der Digitalwährung Bitcoin, 100.000 Euro Bankguthaben sowie 10.000 Euro in bar in die Hände.

Portal lul.to abgeschaltet: Autorin hofft auf Abschreckungseffekt

Klara Bellis, die nach dem Auftauchen ihres neuen Buches bei lul.to „Wut, aber auch Hilflosigkeit“ fühlte, weil „wir Autoren wissen, dass es keinen Sinn hat, etwas gegen die Piraten zu unternehmen“, hat es mit Befriedigung registriert.

„Die haben meinen Text zum Verkauf angeboten, ohne dass ich die Chance hatte, sie um Unterlassung zu bitten“, sagt sie. Monatelange Arbeit, Denken, Schreiben, Redigieren. Und am Ende kein Cent Einnahme.

Wie viele andere Autoren, mit denen sie das Problem der gestohlenen Bücher in den vergangenen Monaten ratlos diskutiert hatte, hofft Klara Bellis jetzt auf einen Abschreckungseffekt bei den Kunden der Diebe. „Es erstaunt mich, dass Leute einfach so einen Autor bestehlen, nur um ein paar Cent zu sparen“, sagt sie.

Illegale Download-Portale: Verluste gehen in die Millionen

Und es sind ja längst nicht mehr nur ein paar Vielleser, die Plattformen wie boerse.bz, ebookspender oder lul.to mit ihrer Nachfrage nach möglichst kostengünstigem Lesestoff am Leben halten.

Mit rund zehntausend Besuchern täglich rangierte lul.to sogar noch hinter Seiten wie ebook-hell.to oder buchpirat.org, die Schätzungen zufolge auf mehr als 20.000 Kostenlos-Leser pro Tag kommen.

Zum Vergleich: Das legale eBook.de erreicht nach Schätzungen 15.000 Besucher täglich. Rein rechnerisch ergeben sich aus den Zahlen der drei größten illegalen deutschen Download-Portale Verluste in zweistelliger Millionenhöhe.

Illegale Plattform lul.to: Knallhartes Geschäft statt Magie

Verlage und verlagsunabhängige Autoren, die zur Veröffentlichung ihrer Werke legale E-Book-Plattformen wie Amazons Kindle Edition, Epubli.de oder bod.de nutzen, werden im Handumdrehen enteignet.

Lul, eigener Beschreibung nach das „große deutsche Piraten-Portal für Menschen, die die Magie des Lauschens und Lesens kennenlernen wollen“, war ein knallhartes Geschäft.

Zwar behaupteten der angeblich im vergangenen Jahr verstorbene Gründer „Lysander“ und seine Kollegen, bei den vom Nutzer zu entrichtenden Centbeträgen handele es sich nicht um einen Kaufpreis für die angebotenen Bücher, sondern um eine „Dienstleistungspauschale“ oder auch „Downloadvergütung“.

Buchpiraterie bei lul.to: Wurden die Nutzer von den Betreibern beschwichtigt?

Über die Einnahmen, die ein gefragtes Buch so generiere, müssten „zehn weniger erfolgreiche Werke querfinanziert werden“, behaupteten die Macher. Und: Das werde auch bei Filmstudios und Plattenlabels so gehandhabt. Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) beziffert allein den Ladenpreis der von lul.to angebotenen Werke auf rund 400.000 Euro - das müsste zahlen, wer alle lul.to-Bücher legal kaufen wollte. Bei den Piraten würden sie höchstens ein Zehntel kosten.

Wer den Service nutzen wollte, wurde mit Beschwichtigungen beruhigt. Eine Registrierung bei lul.to sei „vollkommen legal“ hieß es da doppeldeutig. Nur das Herunterladen geschehe in einer „rechtlichen Grauzone“, in der sich Nutzer aber „höchstens einer Ordnungswidrigkeit“ schuldig machten. „Wie bei roter Ampel eine Straße zu überqueren.“

Ganz so einfach ist es aber doch nicht. Weil die Cyberpolizisten des SN4C aus Sachsen über die Kundendatenbank von lul.to verfügen, könnte es auch für Nutzer der preisgünstigen Downloads aus Tonga eng werden.

Illegale Bücher im Web: Legaler Eindruck von lul.to nur Ausrede

Ihnen könnten Ermittlungsverfahren wegen Urheberrechtsverletzungen drohen. Schon herrscht Zittern und Zähneklappern bei den Betroffenen und in Piratenportalen wird der Ratschlag herumgereicht, bei der Polizei zu behaupten, man habe lul.to wegen der Bezahlfunktion für legal gehalten.

Eine Ausrede, die Fachanwalt Tim Hoesmann für nicht sehr überzeugend hält. „Ein E-Book, das sonst mehr als zehn Euro kostet, für wenige Cent zu kaufen, kann nicht legal sein.“

Auch sein Kollege Tilman Winterling, der inzwischen 36 Autoren vertritt, die Schadenersatz für gestohlene Werke erstreiten wollen, ist sicher: „Aufgrund des Aufbaus, der Preisstruktur und der Hinweise auf lul.to selbst muss jedem Nutzer bewusst gewesen sein, dass es sich um eine Piratenseite und keinen legalen Shop handelt.“

Deshalb könne jeder Nutzer von betroffenen Autoren in Haftung genommen werden. „Hätte jemand alle Bücher meiner 36 Mandanten heruntergeladen, kostet ihn das alles zusammen 6.900 Euro“, rechnet Winterling vor. „Kindle oder andere Angebote wären günstiger gewesen.“

Statt kostenloser Bücher eine Warnung der Polizei: lul.to heute.
Statt kostenloser Bücher eine Warnung der Polizei: lul.to heute.
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lul.to früher: Beste Bücher gegen „Dienstleistungsgebühr“.
lul.to früher: Beste Bücher gegen „Dienstleistungsgebühr“.
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