Taschentuchbaum Taschentuchbaum: Tauben winken von den Ästen «Auf Wiedersehen»
Hamburg/dpa. - Wenn der Taschentuchbaum blüht, scheint es, als wehten unzählige weiße Tücher von seinen Ästen. «Auf-Wiedersehen- Baum» wird er daher in seiner Heimat China genannt. Manche Betrachter glauben auch, dass sich die großen hellen Schmuckblätter der Blüten wie ein Schwarm rastender Vögel zwischen Zweigen und Blättern ausbreiten. So erklärt sich ein weiterer Name dieses ungewöhnlichen Gehölzes: Taubenbaum. Wissenschaftler nennen ihn Davidia involucrata und pflanzen ihn gerne in die Botanischen Gärten der Universitäten. Denn der Taschentuchbaum sieht nicht nur ungewöhnlich aus, er hat auch eine aufregende Geschichte.
Seinen Ursprung hat der Baum in den feuchten Gebirgsregionen Mittel- und Westchinas. In der Nähe der Stadt Mu-pin in der Provinz West-Setchuan entdeckte ihn 1869 der französische Jesuitenpater und Pflanzenliebhaber Armand Pierre David. Plötzlich und unverhofft habe er vor einem riesigen, blühenden Exemplar des Taschentuchbaumes gestanden, vermerkte David in seinen Aufzeichnungen.
Von seinen Reisen brachte David zwar Belege von rund 250 überwiegend unbekannten Pflanzen mit - Saat des später nach ihm benannten Gehölzes war jedoch nicht darunter. Die Ehre, das erste Exemplar nach Europa gebracht zu haben, gebührt einem Landsmann des Paters: Paul Guillaume Farges. Dieser schickte 1897 eine ganze Hand voll der nussförmigen Kerne nach Paris. Von 37 Samen soll der Überlieferung nach aber nur ein Einziger gekeimt haben, der 1906 schließlich blühte.
Die exotischen Reisen des Jesuitenpaters David waren im 19. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches: Unerschrockene «Pflanzenjäger» durchstreiften damals die Wälder Ostasiens, immer auf der Suche nach neuen Zierpflanzen für europäische Park- und Gartenanlagen. Als Prototyp dieser Reisenden gilt der Engländer Ernest Henry Wilson, der im Alter von 23 Jahren 1899 von einer Gärtnerei nach China geschickt wurde, um den Taschentuchbaum zu finden. Hinweise gaben ihm lediglich die handgemalte Karte eines Landsmannes, der den ungewöhnlichen Baum 1888 gesehen hatte. Im April 1900 hatte er die Stelle gefunden - der Baum war in der Zwischenzeit jedoch gerodet worden.
Schließlich hatte der junge Engländer doch noch Glück und stieß an einem anderen Ort auf den Exoten. Er brachte 1902 erstmals größere Mengen der Samen nach Europa - welche die Gärtner jedoch zunächst vor ein Rätsel stellten: Sie keimten nicht. Erst nach etwa einem Jahr Samenruhe gingen die Kerne auf und der Baum konnte in Gärten kultiviert werden.
Die auffällige weiße Pracht des Taubenbaums ist nicht das Werk der Blüten, die eher unauffällig sind und gebündelt an Blütenständen wachsen. Um diese Blütenstände herum jedoch locken je zwei bis zu 18 Zentimeter große helle Hüllblätter Insekten als mögliche Bestäuber an. Etwa zwei bis drei Wochen lang hält der Schmuck. Später im Jahr wachsen dann an langen Stielen die anfangs grünen, später purpurroten Früchte. Auffällig sind auch die gezähnten Blätter mit ihrer stark geäderten Oberfläche. Im Herbst verfärbt sich ihre sattgrüne Farbe über Gelb in ein tiefes Lila.
Der Taschentuchbaum wird 12 bis 20 Meter hoch und bevorzugt einen sauren, nährstoffreichen und mäßig feuchten Boden. Der Baum zählt zu den Hartriegel-Gewächsen und verträgt auch Halbschatten gut. Er sollte jedoch nicht allzu starkem Wind ausgesetzt sein. Schon im Alter von etwa acht Jahren können die ersten Blüten aufgehen, die volle Pracht entfaltet sich jedoch erst nach etwa 20 Jahren. Die Pflanze gilt als winterhart und hält minus 10 bis 15 Grad Celsius aus. Allerdings kann dann der Ertrag von Blüten und Samen deutlich zurückgehen. Junge Pflanzen sollten im Winter mit Reisig abgedeckt werden. In Deutschland lässt sich der exotische Schönling am besten in Regionen kultivieren, in denen auch Wein angebaut wird. Als Zimmerpflanze ist er nicht geeignet.
Vermehren lässt sich der Taschentuchbaum außer durch Aussaat auch mit Stecklingen. Aus einem Kern können mit etwas Glück zwar bis zu drei Sämlinge gezogen werden - jedoch eignet sich das Gehölz wegen seiner meist spärlichen Anzahl von Früchten nicht zur Massenanzucht. Er ist eher ein Liebhaberstück und kommt einzeln gepflanzt am besten zur Geltung. Besonders geehrt wird der Chinese an der Universität Mainz: Dort schmückt er das Logo des Botanischen Gartens.