Stühle selbst reparieren Stühle selbst reparieren: Neuer Glanz für alte Freischwinger
Hamburg/gms. - Jeder Mensch ist ein Künstler. Gesagt hat dieskein geringerer als Joseph Beuys. Ob er damit meinte, dass jedereinen Stuhl nicht nur reparieren, sondern auch nach seinen eigenenVorstellungen kreativ gestalten kann, ist nicht bekannt. Zu viel Vorsicht ist jedenfalls nicht angebracht. Schließlich machte dieitalienische Designergruppe Alchimia in den achtziger Jahren schonFurore damit, Stuhl-Klassiker wie das Wiener Café-Haus-Modell «ThonetNr.14» oder den «Wassily»-Stahlrohr-Freischwinger von Marcel Breuermit Pappwolken und Antennen zu dekorieren. Mit ein wenig Übung solltees also auch Heimwerkern gelingen, alte Stühle aufzumöbeln.
Polsterstühle gibt es auf Flohmärkten manchmal schon für wenigGeld. Bei ihnen lässt sich das Polster mit Federkern in der Regelleicht herausnehmen und anschließend mit neuem Stoff beziehen. «VorBeginn der Arbeit sollte allerdings geprüft werden, ob der Federkerndes Kissens nicht durchgesessen ist», rät Maria Pohlgeers vomHamburger Textilkontor Schnittpunkt im Stilwerk. Zu erkennen sei eindefekter Federkern an Dellen im Kissen.
«Stoffe von Stuhlpolstern müssen wegen der strammen Spannung mehraushalten als die von Polstermöbeln», erklärt Pohlgeers. Damit diePolsterarbeit gelingt, sei es sehr wichtig, den richtigen Bezugsstoffzu wählen. Nicht verwendet werden sollten einfache Dekorationsstoffe,da diese etwa nach drei Monaten schon zerschlissen seien. Haltbarerseien Möbelstoffe. Auch Seide sei zwar optisch sehr schön, aber nichtbesonders strapazierfähig.
Mit Hussen - Überwürfen - aus Stoff lassen sich Stühle neu«einkleiden». Diese Stoffbezüge gibt es für Stuhlmodellemaßgeschneidert, von der Stange oder zum Selbstanfertigen. «Mit Hilfevon Bändern und Schleifen werden sie dem jeweiligen Stuhl angepasst»,sagt Barbara Toillié von der Einrichtungskette Domicil in Lindau amBodensee: «Mit Hussen kann man die Atmosphäre eines Raums ohne großenAufwand verändern.» Wer zum Beispiel an tristen Wintertagen seineStühle mit hellen Hussen beziehe, «für den sieht die Welt schon einwenig freundlicher aus». Je nach Jahreszeit könne man einem Zimmerauch ein Sommer- oder Wintergesicht geben: Helle, kühle Leinenbezügefür den Sommer und kuschelige Stoffe für den Winter.
Bevor an einen alten Stuhl Hand anlegt wird, ist es ratsam, zuerstzu prüfen, ob er fest verleimt ist und nicht wackelt. «Bei manchenalten Stühlen hat sich die Verleimung des Stuhls schon gänzlichgelöst», erläutert Klaus Mettler von der Deutschen HeimwerkerAkademie in Leonberg (Baden-Württemberg). In diesem Fall lasse sichder Stuhl durch leichtes Klopfen mit dem Hammer komplett auseinandernehmen. Die Zapfen des Stuhles sollten dann von Leimresten gesäubert,anschließend neu verleimt und einen halben Tag mit Schraubzwingenzusammen gepresst werden.
«Wenn der Leim des Stuhls sich noch nicht ganz gelöst hat, sollteder Heimwerker versuchen, den Stuhl so weit zu lockern, bis man indie Bohrungen für die Zapfen großzügig Weißleim einfüllen kann»,empfiehlt Mettler. Anschließend würden auch hier Schraubzwingenbefestigt. Frisch verleimte Stühle sollten erst einen Tag späterwieder belastet werden.
«Stühle, die vor 1940 entstanden sind, sollten allerdings nichtmit Weißleim neu verklebt werden, da diese ursprünglich mitKnochenleim verleimt gewesen sind», sagt Harald Miles, Tischler undRestaurator aus Hasslach (Bayern). Verwende man bei solch altenModellen dennoch Weißleim, werde der Stuhl zunächst zwar wieder fest.Da Weißleim den noch vorhandenen Knochenleim auf Dauer zersetze,werde der Stuhl schnell wieder wackelig.
«Mit etwas handwerklichem Geschick, etwas Farbe und ein weniggoldenem Sprühlack kann sich jeder selbst seinen Thron bauen»,ermutigt die Heimwerker-Kette Obi ihre Kundschaft. Ein Thronsesselzum Beispiel passe nicht nur zu antiken Möbeln, sondern alsi-Tüpfelchen auch in modern gestaltete Wohnungen.