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Selbstbewusst zu mehr Lust Sex: Wie Frauen rausfinden, was sie wollen - und es bekommen

Wissen Sie eigentlich so richtig, was Sie wann im Bett wollen? Und: Können Sie es auch formulieren? Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen „nein“ lautet, ist dieser Artikel der richtige für Sie.

Von Nathalie Helene Rippich, dpa 24.02.2025, 00:05
Männer sind nicht für die Lust der Frau zuständig - das hat sie selbst in der Hand.
Männer sind nicht für die Lust der Frau zuständig - das hat sie selbst in der Hand. Christin Klose/dpa-tmn

Berlin/Hamburg - Es ist ein Teufelskreis: Sex, der nicht befriedigend ist, führt zu weniger Lust, was ihn vor allem in Beziehungen schnell zu einem unbefriedigenden Pflichtprogramm machen kann. Die gute Nachricht: Sie - ja, die Frau - hat es selbst in der Hand. Wortwörtlich. Aber der Reihe nach.

Studien zeigen: Während etwa 95 Prozent der heterosexuellen Männer angeben, beim Sex immer oder meistens zum Höhepunkt zu kommen, sind es bei den heterosexuellen Frauen gerade einmal etwas über 60 Prozent. Interessant: Bei den homosexuellen Frauen sind es schon etwa 85 Prozent. 

Genannt wird dieses Phänomen „Orgasm Gap“. Sexologin und Autorin Jana Welch spricht hier sogar von einem „Orgasmus Canyon“. Die gute Nachricht ist, dass man auf individueller Ebene durchaus daran arbeiten kann.

Einfach mal selbst Hand anlegen

Die erste Wahrheit: „Der Mann ist nicht für den Orgasmus der Frau zuständig - und auch nicht für ihre Lust.“ Das sei vor allem ihre eigene Aufgabe, sagt die Sexologin.

„Die meisten Männer lernen ganz früh, wie sie ihren Penis berühren müssen, damit es sich gut anfühlt“, sagt Welch, die in ihrer Privatpraxis mit Paaren und Einzelpersonen an einem erfüllteren Sexleben arbeitet. Frauen hingegen würden zu wenig ermutigt, sich mit ihrem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Dabei sei das einer der entscheidenden Schritte zu einem selbstbestimmten und erfüllten Sexleben. 

Ihr Rat: selbst Hand anlegen, sich selbst erfühlen, dabei spüren, was sich gut anfühlt, experimentieren. „Das geht auch noch mit 40 oder 50, auch wenn es jahrelang nur mit technischer Hilfe geklappt hat“, sagt Jana Welch. 

Dr. Laura Hatzler leitet eine Arbeitsgruppe zum Thema weibliche Sexualität am Institut für Sexualmedizin an der Berliner Charité. Sie sagt, Masturbation spiele beim Thema Orgasmus eine entscheidende Rolle. „Studien zeigen, dass Frauen, die bei der Selbstbefriedigung wissen, wie sie zum Höhepunkt kommen, auch mehr sexuellen Selbstwert haben und auch häufiger zum Orgasmus kommen“, so die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtsmedizin.

Statt um einen Teufelskreis geht es hier um eine Lustspirale: Wer gute Erfahrungen macht, hat auch mehr Lust auf Sex. Wer sich selbst gut kennt und einschätzen kann, hat eher erfüllenden Sex. 

Damit alles glattgeht: Gleitgel verwenden

Und wie fasst man sich jetzt richtig selbst an? „Man braucht vor allem Geduld, das geht alles nicht von heute auf morgen“, sagt Jana Welch. Und: Legen Sie Vibrator, Satisfyer und Co. einfach mal zur Seite, nutzen Sie Ihre Hände, Ihre Finger, rät die Sexologin. 

„Fühlen Sie ganz bewusst, wie sich welche Berührungen an der Klitoris anfühlen und an den klitoralen Schenkeln, die über die ganze Vulva gehen. Was mögen Sie? Was fühlt sich nicht so gut an?“ Und bitte nicht das Gleitgel vergessen. Oder noch besser: „ein schönes Öl - etwa Kokos-, Mandel- oder Rosenöl“, rät Welch. „Gerne viel davon.“

Ganz wichtig: Das dauert. Nehmen Sie sich also Zeit dafür. Und wenn Sie dann sicherer sind, „atmen Sie, bewegen Sie sich, auch das Becken, denn dann fühlen Sie auch mehr“, so Welch. 

Das sei auch wichtig um das, was sich ganz allein gut anfühlt, auf die Straße - oder eher ins Bett mit dem Partner - zu bringen. Denn: „Viele Frauen sind sehr angespannt. Ein angespannter Beckenboden bedeutet weniger Durchblutung, weniger Feuchtigkeit und im schlimmsten Fall Schmerzen“, erklärt Welch. 

Und Schmerzen sind einer der größten Lustkiller, sie können sich sogar negativ auf Beziehungen auswirken. Schlechte oder sogar traumatische Erfahrungen könnten dazu führen, dass nicht nur der penetrative Akt selbst, sondern auch Interaktionen, die potenziell dahin führen, gemieden werden, sagt Dr. Laura Hatzler. Wer Sex vermeiden möchte, meidet dann vielleicht auch andere Berührungen, will nicht kuscheln oder küssen. 

Aus dem Solo ein Duett machen

Klar, kann man Sex auch wunderbar mit sich selbst haben. Denn so ein Orgasmus bringt nicht nur Freude, sondern auch gesundheitliche Vorteile. Zum Beispiel wird dabei der Botenstoff Oxytocin ausgeschüttet, der zu einer verminderten Ausschüttung von Stresshormonen führt.

Aber es gibt gute Gründe, noch eine weitere Person dazuzuholen: „Man weiß, dass sich die Intensität durch das gemeinsame Erleben mit einer anderen Person erhöhen kann“, sagt Dr. Laura Hatzler. Ein Orgasmus, den man - nicht zwangsläufig gleichzeitig - mit einer anderen Person erlebt, kann sich also noch mal deutlich besser anfühlen. „Was uns klar sein muss, Sexualität ist ein biopsychosoziales Erlebnis - mit einer Lustdimension und einer Beziehungsdimension“, sagt die Fachärztin. 

Heißt: Partnerschaftlicher Sex ist mehr als eine körperliche Interaktion. „Da gehört so viel dazu, so viel muss stimmen“, sagt Welch. Hier wird es in vielen Beziehungen schwierig, und hier setzt Welch in ihrer Praxis und ihrem Buch „Sex that connects“ an. 

Jana Welch vergleicht sexuelle Lust mit einem Heißluftballon: „Er will hochsteigen, aber wenn viele Gewichte dranhängen, wird das nichts.“ Der Alltag mit all seinen Problemen stehe einem lustvollen Miteinander oft entgegen. Bei Konflikten werde Sex auch schnell zu einer Währung - etwa wenn man ihn dem Partner aus „Rache“ vorenthält.

Kuscheln ist ein Killer

Aber auch die schönen Seiten einer Beziehung können für eine Flaute im Bett sorgen: „Es gibt Paare, die kuscheln den ganzen Abend auf der Couch - und den heißen Sex haben sie dann mit anderen außerhalb der Beziehung“, berichtet die Sexologin. Der Oxytocin-Pegel steigt nämlich auch beim Schmusen - Befriedigung auf andere Art. 

Wer raus aus der „sexuellen Grundversorgung“ will, wie Welch es nennt, sollte statt zu kuscheln lieber knutschen. „Sich stattdessen wieder lustvoll berühren, knutschen. Und nicht nur Bussis, sondern richtig küssen - mit Zunge!“

Das sei ein Anfang, aber wer gemeinsam guten Sex haben will, muss auch reden - über Sex, nicht über den Haushalt. „Oft hat der Mann gar keinen Plan, was sie mag, er macht einfach irgendwas. Und das vielleicht schon fünf Jahre lang - woher soll er es besser wissen?“, sagt Welch. 

Eine Idee: Verabreden Sie sich einmal die Woche, um über Sex zu sprechen. „Jeder bekommt drei Minuten und erzählt einfach. Der andere hört nur zu“, schlägt Welch vor. Wichtig sei, konstruktiv zu sein. Nicht nur zu sagen, was einem nicht gefällt, sondern auch, was schön ist. „Zum Beispiel auch mal zu sagen: "Wie du mich da angefasst hast, hat mir gefallen."“

Ein weiterer Tipp: Damit das Gespräch in Gang kommt, kann man eine „erotische Landkarte“ zu Hilfe nehmen. „Man nimmt ein Blatt Papier, skizziert einen Körper und bittet den Partner, die Stellen zu markieren, von denen er denkt, dass man dort gern berührt wird.“ 

Das mag anfangs befremdlich wirken. „Aber wenn man damit anfängt, am Rand der Komfortzone oder darüber hinaus zu kommunizieren, passiert etwas“, sagt Jana Welch. 

Und wenn die Lust dann da ist: Tun Sie es! Und sagen Sie dabei, was sich genau jetzt gut anfühlt und was und wie Sie es in dem Moment wollen.