1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Reisen
  6. >
  7. Spreewald: Spreewald: Märchenhafte Tour

Spreewald Spreewald: Märchenhafte Tour

Von EKKEHART EICHLER 28.07.2011, 21:55

Halle (Saale)/MZ. - Eine Schlange mit Krone. Ein Baumstamm mit Glubschaugen. Gestalten mit Pinocchio-Nasen, die Wasserkübel entleeren. Eine seltsame Menagerie bevölkert den Marktplatz von Lübbenau. Figuren aus der reichhaltigen Sagenwelt des Spreewaldes. Direkt neben der Kirche ultramodern aus Edelstahl erschaffen und zu einem Brunnen kombiniert. Manchmal erwacht eine Figur sogar zum Leben. In Burg taucht plötzlich eine weiße Gestalt in wallendem Gewand auf und schwenkt bedrohlich eine messerscharfe Sichel. Es ist die gefürchtete Mittagsfrau, die jedem den Kopf abschneidet, den sie zwischen zwölf und ein Uhr mittags bei der Arbeit erwischt.

"Gut möglich, dass diese Sage aus der Not heraus entstand, als Mägde und Knechte auf den Feldern ihrer Herren auch in der Mittagsglut schuften mussten und manche dabei an Hitzschlag starben", erklärt Bärbel Schubert, als Leiterin der Burger Heimatstube auch Expertin für die Spreewälder Sagenwelt.

Da sind die Schlangen, die unter den Grundbalken der hölzernen Häuser leben und als Beschützer und Glücksbringer verehrt werden. Deshalb findet man bis heute Schlangenköpfe mit Kronen als Giebelverzierungen an den Spreewaldhäusern. Da sind die zwergenhaften Lutki, die am Burger Schlossberg in der Erde wohnen. Sie borgen sich bei den Menschen Haushaltsgeräte und bedanken sich mit Brot und Kuchen. Oder die Irrlichter, die gegen ein kleines Entgelt verirrten Wanderern nachts durch das Sumpfgebiet heimleuchten.

Auf ein umfangreiches Fabelwesen-Ensemble trifft man bei Arno Ballaschk in Burg. Dieser hatte vor ein paar Jahren die märchenhafte Idee, Sagen und Geister auf hochprozentige Art miteinander zu verbinden. In seiner Sagengeister-Brennerei stellt er seitdem verschiedene Liköre und Obstbrände her - aus Kirschen und Äpfeln, Himbeeren und Haselnüssen, Wildpflaumen und Kräutern.

Der Clou: Jeder Sorte ist eine Sagenfigur zugeordnet, jeweils mit Zeichnung auf dem Frontetikett und der jeweiligen Geschichte auf der Rückseite der Flasche. So erscheint zum Beispiel die Mittagsfrau auf dem Birnenschnaps, der Schlangenkönig auf dem Haselnussgeist und der Wassermann auf dem Mirabellenbrand. Über schädliche Nebenwirkungen ist nichts bekannt, im Gegenteil: Arno Ballaschk beschert diese hübsche Idee sagenhaften Umsatz.

Schon immer war der Spreewald ein besonderer Hort von Mythen und Sagen. Was Wunder in einem Wasserlabyrinth, das aus Hunderten Kanälen und Verästelungen der Spree besteht. Aus Mooren, Sümpfen und Feuchtwiesen. Aus dichten Erlenbruchwäldern und Weidenspalieren. Mit surrealen Licht- und Nebelstimmungen. Ein idealer Nährboden für den Glauben an Geister, Götter und Dämonen und ein unerschöpflicher Quell für Phantasien. Wie kaum eine andere kennt sich die Ethnologin Ute Henschel mit Glauben und Aberglauben, mit Sagen und Mythen aus. Im Freilandmuseum des Inseldorfs Lehde erzählt sie zum Beispiel vom Plon. Einem feurigen Drachen, der durch den Schornstein fährt, dem Bauern Weizen, Milch oder Goldmünzen schenkt und zum Dank gepflegt und gefüttert werden muss. "Entstanden ist diese Mär wahrscheinlich durch unerklärliche Lichterscheinungen am nächtlichen Himmel", so die Expertin.

Ortswechsel: In den Lübbenauer Spreewelten gibt es neben dem Badeparadies auch eine großartige Saunalandschaft mit 14, teils in urigen Holzhütten untergebrachten "Schwitzkästen". Einer davon ist die Lutki-Höhle, die in einem mächtigen Spreewald-Heuschober steckt. Alle 20 Minuten gibt es hier vom Band eine populäre Spreewälder Sage zu hören. Manchmal liest Schauspieler Matthias Härtig sogar live - ein echter Härtetest bei 85 Grad Raumtemperatur.

Tatsache ist auch, dass man im Spreewelten-Bad mit zwölf putzmunteren Humboldtpinguinen baden und schwimmen kann - nur eine Scheibe trennt die Becken für Tiere und Menschen. Ein Erlebnis, das es in ganz Europa kein zweites Mal gibt.

Nicht zuletzt ist auch die Spreewelten-Pension in Lübbenau ein echter Knüller: Im denkmalgeschützten und umfassend sanierten Bahnhof nämlich schläft man in elf Zimmern, die von verschiedenen Künstlern zu phantasievollen Wunderwerken umgestaltet wurden. Einzige Vorgabe: ein spreewaldtypischer Bezug.

So taucht man im "Gemach des Wendenkönigs" etwa ein in das Zauberreich zwischen Tag und Traum. Ruht am "Lieblingsplatz des Schlangenkönigs" in einer zart-grünen Wohlfühl-Oase mit floralen Formen. Schläft "Zwischen Wasser und Himmel" in einem halben Spreewaldkahn als Bett zwischen parallelen Spiegelwänden. Oder dimmt sich mittels einer großen Leuchtwand in die Welt "Unter und über dem Wasser".