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Mittelmeer Mittelmeer: Schatz von Formentera

Von Ute Hartling-Lieblang 16.08.2012, 15:05

Halle (Saale)/MZ. - Während unser Boot lautlos durchs türkisblaue Wasser gleitet und die Sonnencreme auf Deck die Runde macht, weckt Asier unsere Neugier: "Gleich werdet ihr den größten Schatz von Formentera sehen", kündigt der Leiter der Segelschule in La Savina an, mit dem wir uns zur Bootsfahrt verabredet haben. Als sich der Boden unter der Wasseroberfläche plötzlich dunkel färbt, lüftet er das Geheimnis: "Das ist Neptungras".

Zwischen Ibiza und Formentera erstreckt sich auf 700 Quadratkilometern die größte zusammenhängende Seegraswiese im Mittelmeer. Der längste Abschnitt (acht Kilometer) liegt im Norden von Formentera und gehört zum Unesco-Welterbe. "Ein Quadratmeter Neptungras erzeugt so viel Sauerstoff wie drei Quadratmeter Amazonasgebiet", flößt uns Asier Respekt vor dieser endemischen Pflanze ein, die er auch "Lunge des Mittelmeeres" nennt. Nun kennen wir also den Grund für das kristallklare Wasser der kleinen Insel und das atemberaubende Spiel der Farben, das immer wieder von hellem Blau über Türkis bis Dunkelblau wechselt.

Wenn wir nicht genau wüssten, dass wir vor zwei Tagen auf der kleinsten bewohnten Insel im äußersten Süden der Balearen angekommen sind - Formentera ist nur 83 Quadratkilometer groß - könnte man auf Karibik tippen. Schon für die Hippies, die hier in den frühen Sechzigern Zuflucht suchten, galt Formentera als Symbol für das Paradies. In der legendären Dorfkneipe Fonda Pepe in San Fernando, die 2013 ihr 60-jähriges Bestehen feiert, ist ihr Einfluss noch deutlich spürbar. Hier treffen wir Julián, Pepes Sohn, beim Einsammeln der Gläser und beim Plausch mit den Stammgästen. Pepes Bar sei nicht nur Treffpunkt, sondern auch Poststelle und zweites Zuhause für viele Blumenkinder gewesen, erzählt er uns beim Bier.

In El Pilar de la Mola, wo im Sommer zweimal die Woche ein Kunsthandwerkermarkt stattfindet, trifft man sie noch, die Blumenkinder von einst: den Maler "fire fox" oder Eva, die hier Puppen in den Trachten der Insel verkauft. Beide haben ihre Geschichte schon unzählige Male erzählt und finden sie gar nicht mehr so spannend.

Die Insel ihrer Träume habe sich aber bis heute viel von ihrer Ursprünglichkeit bewahrt, schwärmt Eva. Das liegt wohl auch am Umweltbewusstsein ihrer Bewohner. Campen ist auf Formentera generell verboten. Die Strände sind nicht mit riesigen Hotelbauten zugepflastert. Alejandra Ferrer, Tourismusreferentin von Formentera, hält - wie die meisten Insulaner - nichts vom Massentourismus. "Wir haben Baubeschränkungen", erklärt sie.

Das findet ein junges Paar aus Berlin, dem wir im Hotel Formentera Playa am Strand von Migjorn begegnen, sehr angenehm. Mundpropaganda habe sie hergeführt, erzählen sie. Insel und Unterkunft seien nach ihrem Geschmack. Mit fünf Kilometern ist der Strand von Migjorn am südlichen Küstenbogen der längste der Insel.

Hier wechseln sich felsige Abschnitte mit ruhigen Sandbuchten ab. Mit etwas Glück können Urlauber hier sogar auf Ekki und seine Kursteilnehmer treffen, die unter seiner Anleitung ihre eigene E-Gitarre basteln und sie dann mit Meereswasser taufen. Das gebe dem Instrument seinen unverwechselbaren Klang, erzählt uns der Deutsche, der eigentlich Ekkehard Hoffmann heißt, in seiner Werkstatt "Formentera Guitars" in Sant Ferrán.

Neben dem Badevergnügen bietet Formenteras 66 Kilometer lange Küste auch für Taucher - mit bis zu 50 Meter Sicht - Kajak-Fahrer, Windsurfer und Segler ideale Bedingungen. Vieles auf dieser sehr Natur belassenen Insel lohnt es zu erkunden. Das tut man am besten mit dem Fahrrad oder beim Wandern. Im Naturpark an der Nordspitze der Insel liegen die bei Urlaubern beliebten Strände Illetes und Levante. Wer mit dem Motorrad oder dem Auto anreist, muss allerdings eine Gebühr entrichten. Daher setzen Verleiher wie Sebastian von Blue Autos in La Savina neuerdings auf elektrisch betriebene Fahrzeuge. Zwölf Elektrofahr-räder hat sich Sebastian gerade angeschafft. "Die laufen ganz gut", sagt er.

Auch dem Neptungras begegnen wir beim Spaziergang durch den Naturpark wieder. Wie ein Teppich legt es sich stellenweise über den feinen weißen Sand. Das trockene Gras schützt die Strände vor der Erosion durch die Wellen, hat uns Asier erklärt. Deshalb wird es nicht weggeräumt. Ein Kompromiss, mit dem die Touristen - allerdings nicht an allen Strandabschnitten - leben müssen. Wer da die Nase rümpft, sollte sich vor Augen halten, was das Seegras für die Insel und ihre Fauna bedeutet.

Das versteht man am besten beim Besuch im Informationszentrum des Naturparks. Wir entdecken es während einer Fahrradtour auf dem Cami de s'Estany - zwischen La Savina und Can Marroig - und sind beeindruckt. Insgesamt gibt es zwölf dieser grünen Radwege auf der Insel. Hier duftet es nach wildem Thymian, Pinien und Meer. Ganz in der Nähe lebt eine der größten Schwarzhalstaucher-schwärme Europas.

Nicht nur für Naturliebhaber ist Formentera ein lohnendes Ziel. Die megalithische Fundstätte in Ca na Costa belegt, dass hier schon 2 000 vor Christus Menschen siedelten. Der durch Jules Verne berühmt gewordene Leuchtturm La Mola im äußersten Westen ist ein Muss. Ebenso die Wachtürme an der Steilküste, mit denen sich die Inselbewohner einst vor den Piraten schützten, die es auf das "weiße Gold" (Salz) der Insel abgesehen hatten. Heute sind die Salinen ein großer Naturpark.