Antarktis Antarktis: Eiskalter Urlaub
Halle (Saale)/MZ. - Marylin Monroe hätte das verstanden: Steine bedeuten für Pinguine Reichtum. Für die Kiesel legen sie weite Wege zurück, streiten sich mit dem Nestnachbarn und werden zu Dieben. Wer viele Steine hat, ist attraktiv als Partner und hat ein trockenes Nest. Wer die Frackträger beim Steine sammeln beobachten möchte, muss weit reisen: Von hier aus sind es Zehntausende Kilometer bis in die Antarktis - den kältesten und am wenigsten erschlossenen Kontinent der Erde, dessen Fläche zu fast 98 Prozent von Eis bedeckt ist. Im Gegensatz zur Arktis hat die Antarktis aber festen Boden zu bieten - und Steinchen.
Von Deutschland aus fliegt man knapp 14 Stunden nach Buenos Aires, dann noch einmal vier Stunden nach Feuerland. Die Provinzhauptstadt Ushuaia ist der Haupthafen für Expeditions- und Kreuzfahrtschiffe. 35 von ihnen pendeln im Südhalbkugel-Sommer zwischen Ushuaia und der Antarktis. Die Reisen dauern meist 13 bis 22 Tage. Das bedeutet aber beileibe nicht, dass sich die Touristen auch so lange im Ewigen Eis aufhalten. Nach der Abfahrt in Ushuaia müssen der Beagle Kanal durchfahren und die Drake Passage überwunden werden - und letztere ist selbst mit dem Komfort neuester Schiffe mit ihren Stabilisatoren immer noch kein einfacher Seeweg.
Wie gut, dass es an der Rezeption der "MS Fram" eine Schublade voll mit gelben Pillen gegen Seekrankheit gibt. Aber selbst mit Medikamenten füllt sich der Speisesaal zu den Mahlzeiten nur halb, wenn sich draußen bei Windstärke neun bis elf die Wellen türmen. Knapp drei Tage dauert die schaukelnde Fahrt, dann werden die Gewässer wieder ruhiger, und das erste Eis kommt in Sicht.
Majestätisch liegen Tafeleisberge im dunkelblauen Wasser. Und je näher man den antarktischen Inseln kommt, desto öfter sieht man auf den Eisbergen kleine schwarze Punkte: Pinguine.
Die erste Chance, auf einen Pinguin zu treffen, besteht auf den Süd-Shetlandinseln. Auf Half Moon Island lebt eine große Kolonie von Zügelpinguinen. Schon von weitem sind im Schnee die "Pinguinautobahnen" zu sehen, die Trampelpfade der Tiere von ihren Nestern zum Meer und zurück. Angelandet wird mit Schlauchbooten an einem grauen Kiesstrand. Und dann steht man vor ihnen und lernt: Pinguine sind nicht ängstlich. Unbeirrt watscheln sie ihrer Wege und brüten auf ihren Nestern.
Viele Schiffe, die Expeditionsreisen in die Antarktis anbieten, haben Wissenschaftler an Bord und halten sich an die Regeln der IAATO, des Verbandes der Antarktisreisen-Veranstalter. Danach darf eine Bucht immer nur vier Stunden lang besucht werden. Niemals dürfen mehr als 100 Menschen auf einmal an Land. Und nichts darf zurückgelassen werden.
Dennoch steht man anfangs an Land und überlegt, ob die Antarktistour wirklich so eine gute Idee war. Wie viele Schiffe und damit wie viele Leute waren heute wohl schon in der Bucht? Und wie viel Ruß stößt eigentlich der Dieselmotor des Schiffes aus? Zurück an Bord werden diese Fragen beim Abendessen diskutiert. Das Ergebnis: Natürlich muss man nicht unbedingt ins Ewige Eis. Aber es ist sehr beeindruckend. Und wer einmal dort war, dem wird die Notwendigkeit von Naturschutz oft erst richtig bewusst.
Spätestens in Port Lockroy verfliegt die Sorge, ob sich die Pinguine gestört fühlen könnten. Sie nisten bis vor die Stufen der alten britischen Marinestation. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Engländer den Unterschlupf zusammen mit einem zweiten auf Deception Island errichtet, um von dort die Schiffsbewegungen des Feindes zu beobachten. 1996 renovierte der britische Antarctic Heritage Trust Port Lockroy. Seither gibt es dort ein Museum, eine Poststelle und einen Souvenirladen. Diese Mischung macht den Hafen zu einem der beliebtesten Stopps in der Antarktis. Für die Gäste gibt es sogar einen Pinguin-Stempel in den Pass.
Ein weiterer Höhepunkt ist eine Fahrt durch den Lemairekanal. Die bis zu 1,6 Kilometer schmale Durchfahrt wurde 1873 gesichtet und 1898 erstmals durchfahren. Bei Sonnenschein spiegeln sich die Hänge der antarktischen Halbinsel und Booth Island in der elf Kilometer langen Passage, in der immer zahllose Eisberge treiben.
Am Ende der Reise ist der Tourist Pinguin-Experte. Er hat gelernt, dass Pinguine keine Landraubtiere fürchten müssen, wohl aber Seeleoparden, Zahnwale, Raubmöwen und Sturmvögel. Dass sie schwimmen wie Delphine, mit gelegentlichen Hopsern aus dem Wasser. Und dass die meisten eine Leidenschaft für Steine haben. Da trifft es sich doch gut, dass Besucher nichts mitnehmen dürfen aus der Antarktis. Nicht einmal Kiesel - und nicht einmal dann, wenn man Marylin Monroe hieße.