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Psychologie Psychologie: Von Müttern und Töchtern

Von Jeannette Villachica 07.07.2005, 11:13

Berlin/Jena/dpa. - Simone Schmollack aus Berlin hat Frauen zwischen 17 und 50 Jahrenüber das Verhältnis zu ihren Müttern befragt und ernüchterndeAntworten bekommen. «Keine der Frauen wollte so leben wie ihreMutter», sagt die Sachbuchautorin. Das gelte selbst für diejenigenTöchter, die ihre Mutter als tolle Frau bezeichneten.

«Viele Mütter haben ein Leben geführt oder führen es noch, das sieselbst nicht wollten», sagt Schmollack. «Die Töchter haben sehr vielmehr Freiheiten und sind nicht bereit, zu Gunsten gesellschaftlicherKonventionen auf ihren Glücksanspruch zu verzichten.»

Laut Ingrid Hack, Psychologin aus München, versuchen die meistenkleinen Mädchen zunächst, so zu werden wie die Mütter - einfach weilsie geliebt werden wollen. Auch setzten sich die frühestenErfahrungen mit der Mutter im Gehirn der Tocher fest. Je wenigerandere Bezugspersonen es gibt, desto unausweichlicher stellten sichVerhaltensähnlichkeiten zwischen Mutter und Tochter ein. Das betreffeunter anderem den Umgang mit Autoritäten, die Einstellung zurBerufstätigkeit und das Verhalten in der Partnerschaft.

Dennoch finden offenbar viele Frauen einen Weg, zumindest alsErwachsene der Mutter selbstbewusster entgegenzutreten. Je wenigerMutter und Tochter voneinander abhängig sind, desto entspannter istdas Verhältnis, erläutert Heike M. Buhl, Familienpsychologin an derUniversität Jena. «Ideal ist es, wenn Verbundenheit und Abgrenzung -also etwa das Vertreten einer eigenen Meinung - hoch ausgeprägtsind.» Außerdem störten sich Töchter mit zunehmendem Alter undErfahrung weniger an Charakter- und Verhaltensähnlichkeiten.

Zudem wird Buhl zufolge die Beziehung zu den Eltern oft wenigerwichtig, wenn die Töchter selbst Kinder bekommen. «Die Muster werdenaber weitergegeben. Wer liberal erzogen wurde, erzieht auch seineKinder liberal - in einer anderen Ausprägung vielleicht, weil es eineandere Zeit ist, aber der Einfluss bleibt.»

Mehreren Studien zufolge fühlen sich die meisten Töchter ihrenMüttern sehr nahe, lassen sich auch noch als Erwachsene von ihrtrösten und fragen sie in Gefühlsdingen um Rat. Erwachsene Töchtertauschen mit ihren Müttern meist mehr Gefühle und Informationen ausals mit ihren Vätern, sagt Sylvia Korupp, Sozialwissenschaftlerin ander Universität Erfurt. Das Mutter-Tochter-Verhältnis sei auch engerals das Mutter-Sohn- beziehungsweise Vater-Sohn-Verhältnis. «Mutterund Tochter sehen sich zudem häufiger.» Doch zugleich sagten vieleFrauen, sie wären froh, wenn sie die Verantwortung für die Mutter mitjemandem teilen könnten.

Auch ist der enge Kontakt zwischen Tochter und Mutter zum Teilaufgeladen mit alten Konflikten, sagt Psychologin Hack. «Oft reibensie sich in Schuldzuweisungen auf und machen damit ihr Gegenüber fürdie eigenen Gefühle verantwortlich». Eine enttäuschte Tochtererwarte, dass die Mutter ihr Verhalten ändert. Die Mutter wiederumglaube, stets nur «das Beste» gewollt zu haben und sehe keine Schuldbei sich. «Beide bleiben abhängig davon, dass die andere sich ändert.»

Hack rät Töchtern, nicht darauf zu warten, dass die Mutter dieWünsche der Jüngeren endlich versteht und erfüllt, sondernVerantwortung für die eigenen Gefühle und Verhaltensweisen zuübernehmen. «Das können Mutter beziehungsweise Tochter auchunabhängig voneinander lernen.»

Auch sei es hilfreich, die Lebensgeschichte der Mutter zuerkunden. Eine Tochter, die nachvollziehen kann, was die Mutter inder eigenen Kindheit erlebt hat, könne eher verzeihen. Am ehestengebe es die Chance auf eine harmonische Beziehung, wenn Mutter undTochter akzeptieren, dass niemand perfekt ist, sagt SimoneSchmollack. «Für manche Dinge gibt es eben keine Lösung.»

Literatur: Simone Schmollack: Ich wollte nie so werden wie meineMutter - Geschichten von Frauen zu einer ganz besonderen Beziehung,Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, ISBN: 3-89602-483-3, 9,90 Euro;Caroline Eliacheff, Nathalie Heinich: Mütter und Töchter - einDreiecksverhältnis, Walter-Verlag, ISBN: 3-53042-175-8, 24,90 Euro.