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Psychologie Psychologie: Mit Kränkungen am Arbeitsplatz umgehen

Von Annika Graf 25.10.2005, 08:18

München/Frankfurt/Main/dpa. - Der falsche Tonfall eines Kollegen, eine anzügliche Bemerkung, ein Vorschlag, der in der Besprechung abgewiegelt wird: Gerade Frauen sollten deshalb lernen, ihr eigenes Kränkungspotenzial zu erkennen und sich auf solche Situationen vorzubereiten.

«Von Kränkung spricht man, wenn irgendetwas passiert, was man als ungerecht und unfair empfindet», sagt Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Frankfurt. «Angst, Wut, Scham und Trauer sind die Gefühle, die durch Kränkungen hervorgerufen werden», erklärt Wardetzki, Autorin des Buchs «Kränkung am Arbeitsplatz». Diese Gefühle würden aber selten tatsächlich zugelassen.

«Man sollte lernen, Kritik erst einmal anzuhören und auf ihren Wahrheitsgehalt hin abklopfen», sagt Wardetzki. Dann könne eine vermeintliche Kränkung verhindert werden. Einmal tief Durchatmen bewahrt vor schnellen Reaktionen. Frauen im Berufsleben tendierten dazu, schnell verunsichert zu werden.

«Damit einen einfache Bemerkungen oder unangenehme Situationen nicht erschüttern, sollte man sich seiner Stärken und Schwächen bewusst sein», sagt Wardetzki. «Wer seine Schwachpunkte kennt, sollte lernen, sich innerlich gegen verletzende Bemerkungen abzugrenzen», empfiehlt die Diplom-Psychologin Karin Scherrer vom Kompetenzzentrum für Fortbildung und Arbeitsgestaltung an der Universität Wuppertal. Besonders Frauen müssten lernen, Grenzen zu ziehen und sich ihres eigenen Selbstwerts bewusst zu werden.

Auch Bemerkungen, die ihre Attraktivität in Frage stellen, nehmen gerade weibliche Arbeitnehmer häufig persönlich. «Frauen, die sich zu dick fühlen, reagieren zum Beispiel häufig empört auf eine Bemerkung über ihre Figur» sagt Wardetzki. Sie sollten sich bewusst machen, ob sich damit Befürchtungen bewahrheiten und woher diese Reaktion komme.

«Auch am Arbeitsplatz ist "sportsmanship" gefragt», sagt der Arbeitspsychologe Zapf. Das bedeute, dass wie im Sport gelernt werden muss, auch Niederlagen einzustecken. «Man sollte versuchen, nicht auf jede Kränkung zu reagieren, denn eine Reaktion verbraucht auch Ressourcen», rät Zapf. Ungerechtigkeiten seien in Organisationen normal. «Sie treten zumindest immer wieder auf.» Man sollte deswegen überlegen, ob eine Auseinandersetzung unbedingt erforderlich ist.

Eine Person des Vertrauens, die die Situation unvoreingenommen beurteilt, könne helfen, die Lage zu klären, sagt Scherrer. Allerdings sollten Helfer aufpassen, dass sie kein Täter-Opfer-Schema aufbauen, warnt Wardetzki. Freunde seien nicht unbedingt die richtigen Gesprächspartner. Ein neutraler Dritter könne stattdessen helfen, die Situation aufzulösen.

Einfache Kränkungen sind nicht mit Mobbing gleichzusetzen. «Erst wenn mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von sechs Monaten etwas passiert, spricht man von Mobbing», erklärt Scherrer. Ein solches Verhalten kann auch arbeitsrechtliche Folgen haben.