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Probezeit Probezeit: Bei Krankheit schützt kein Gesetz vor Kündigung

03.03.2003, 10:11
Akute Erkrankungen wie grippale Infekte geben in der Regel keinen Anlass für eine negative Gesundheitsprognose. (Foto: dpa)
Akute Erkrankungen wie grippale Infekte geben in der Regel keinen Anlass für eine negative Gesundheitsprognose. (Foto: dpa) Wigger DAK

Göttingen/Erfurt/dpa. - Vielen Menschen ist das schon passiert: Kaum haben sie mit viel Elan und großen Plänen einen neuen Job begonnen, da macht ihnen ein körperliches Leiden einen Strich durch die Rechnung. Noch in der halbjährigen Probezeit brechen sie sich ein Bein oder erkranken schwer. Wochen- oder gar monatelanges Fehlen am Arbeitsplatz ist die Folge. Wer allerdings glaubt, in einer solch schwierigen Situation gesetzlich vor dem Verlust der gerade erst angetretenen Arbeitsstelle geschützt zu sein, der irrt sich.

«Die Regelungen des Kündigungsschutzes kommen erst nach einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten zur Geltung», erklärt Jens Peter Hjort, in Hamburg ansässiger Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dies lege das Kündigungsschutzgesetz in seinem Paragraf 1 eindeutig fest.

Der Beginn des Kündigungsschutzes ist dabei nach Auffassung von Juristen unabhängig von der Länge der Probezeit. In einem Fall, mit dem das Arbeitsgericht Frankfurt/Main befasst war, hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Probezeit von nur drei Monaten vereinbart. Der Arbeitnehmer glaubte, dass damit auch der Kündigungsschutz bereits nach drei Monaten wirksam würde. Die Richter jedoch stellten in ihrem Urteil (Az.: 6 Ca 6950/00) fest, dass eine kürzere Probezeit als sechs Monate nicht automatisch, sondern nur per ausdrücklicher Vertragsvereinbarung einen vorzeitigen Kündigungsschutz bedeutet.

Erst eine sechsmonatige Betriebszugehörigkeit garantiere dem Arbeitnehmer den gesetzlichen Schutz vor einer Kündigung, sagt auch Carsten Paulini, Wissenschaftler am Institut für Arbeitsrecht der Universität Göttingen. Selbst eine schwere Erkrankung während der Probezeit ändere nichts am Recht des Chefs, mit einer festgelegten Frist - meist von zwei Wochen - die Kündigung auszusprechen. «Es ist nicht auszuschließen, dass einem in der Probezeit erkrankten Arbeitnehmer gekündigt wird», so auch Martina Perreng, Expertin für Arbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin.

Diese einhellige Auslegung der Gesetze spiegelt sich auch in der Praxis der Arbeitsgerichte wieder. Klagen gegen eine Kündigung wegen einer Erkrankung in der Probezeit sind in der Dokumentationsstelle des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt nicht greifbar. Auch Henning Kirsch, Präsident des Landesarbeitsgerichts Hamburg, kann sich an keinen entsprechenden Prozess erinnern.

Es sei ein «Märchen», dass einem Arbeitnehmer während einer Krankheit nicht gekündigt werden dürfe, betont Rechtsanwalt Hjort. «Das ist so wie mit der Legende von den drei Nachmietern, die man nur stellen müsse, um aus jedem Mietvertrag herauszukommen», sagt er. Chancen hätten Klagen gegen eine Kündigung wegen Erkrankung in der Probezeit nur, wenn dem Arbeitgeber Sittenwidrigkeit oder Verstoß gegen Treu und Glauben, also die Verletzung von Anstandsgefühl und gesellschaftlichen Normen nachzuweisen wäre. Doch da gebe es keine positiven Beispiele: «Man kann nur auf einen vernünftigen Arbeitgeber hoffen, der vielleicht die Probezeit verlängert», meint Hjort.

Ein Trost für Arbeitnehmer, die in der Probezeit erkranken und ihre Kündigung bekommen, ist ihr Anspruch auf die Fortzahlung des Lohnes für die gesetzlich vorgeschriebenen sechs Wochen. In Paragraf 8 des Entgeltfortzahlungsgesetzes heißt es: «Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt.» Das sei noch zu wenig bekannt, sagt Hjort.