Mehr als nur Sturköpfe: Esel sind treue Haustiere
Limburg/dpa. - Es ist eine Frage der Perspektive. «Esel sind störrisch», lautet die landläufige Meinung. «Sie denken einfach erst mal nach», sagt dagegen Barbara Bank.
Tatsache ist: Obwohl sie in Deutschland als Arbeitstiere keine Rolle mehr spielen, erfreuen sich Esel zunehmender Beliebtheit. Barbara Bank ist die Vorsitzende der Interessengemeinschaft für Esel- und Mulifreunde in Deutschland. Vor 22 Jahren wurde der Verein gegründet, mit nur 12 Mitgliedern. Heute sind es 1200 mit insgesamt 3500 Eseln. Sechs Tiere haben Bank und ihr Mann. Die Vierbeiner leben im Stall an der alten Mühle des Paares im hessischen Oberneisen.
In dem Moment, in dem Bank ihre Esel auf die Weide lässt, zeigt sich eine ihrer Eigenschaften: Sie sind vorsichtig. Die meisten Pferde würden sofort lospreschen. Die Esel gehen die Weide zunächst im Schritt ab, erst dann wagen sie einen Galopp. Zu Menschen sind sie - nicht nur in dieser Situation - freundlich: «Sie würden nie jemanden umrennen.»
«Sie begleiten ihre Besitzer auch bei Spaziergängen oder Wanderungen», ergänzt Ursula Licht, Esel-Halterin und Buchautorin. Zudem könnten Esel Tricks lernen und würden wegen ihres ausgeglichenen Temperamentes auch beim therapeutischen Reiten eingesetzt. Für Kinder sind sie oft dankbare Reittiere.
In der Haltung sind Esel nicht sehr anspruchsvoll. Sie brauchen außer einem trockenen Auslauf oder einer kargen Weide noch Hufpflege, Gesellschaft und Beschäftigung. Allerdings lässt sich das nicht in fünf Minuten erledigen, warnt Heike Wulke: «Viele unterschätzen den Aufwand», sagt die Vorsitzende des Vereins Noteselhilfe.
Als Futter reichen Stroh, Heu und Holz. «Die meisten Esel sind einfach zu fett», sagt Bank. Die Vorfahren der Hausesel lebten in kargen Gegenden, wo sie oft lange nach Futter suchen mussten. Deshalb ist der Organismus auf optimales Nahrungsverwerten eingestellt. Bekommt ein Esel zu viel Kohlenhydratreiches, droht Hufrehe: eine schmerzhafte und manchmal tödlich verlaufende Krankheit.
Ein Esel sollte nicht auf sich selbst gestellt sein. Sonst kann es unangenehm werden: «Esel in Alleinhaltung werden kleine Monster», wie Wulke warnt. Ein Pferd eignet sich nicht, denn die Tiere haben ein völlig unterschiedliches Sozialverhalten. Mögliche Partner sind Lamas und Ziegen, doch am besten ist mindestens ein Artgenosse.
Die Noteselhilfe kümmert sich um Esel und Maultiere, die von ihren Haltern abgegeben oder die ihnen vom Veterinäramt abgenommen wurden. «Diese Tiere sind in einem entsprechend schlechten Zustand.» Fünf Pflegestellen in Deutschland hat der Verein, dort leben derzeit 26 Esel und ein Maultier. Sie sollen an neue Besitzer vermittelt werden, die Preise liegen zwischen 100 und 600 Euro.
Wer sich Esel kaufen will, sollte wissen, dass er für lange Zeit Genossen hat. Großesel leben 20 bis 30, Zwergesel können sogar 40 Jahre alt werden. Im Jahr kostet der Unterhalt etwa zwischen 800 und 1500 Euro. Wer sich auf die Tiere einlässt, wird laut Wulke oft mit lebenslanger Treue belohnt: «Esel hängen sehr an ihrem Menschen.»
Literatur: Ursula Licht: Liebenswertes Langohr: Alles über Esel, Müller-Rüschlikon-Verlag, ISBN: 978-3-2750-1706-5, 19,95 Euro.
Interessengemeinschaft für Esel- und Mulifreunde: www.esel.org
Noteselhilfe: www.noteselhilfe.org
Hausesel sind die Nachkommen der afrikanischen Wildesel, die vor etwa 4000 Jahren domestiziert wurden. Die ersten Vertreter der Art kamen vermutlich mit den Römern nach Germanien. Im 12. Jahrhundert wurden sie beim Gebäudebau eingesetzt. Zudem nutzte man sie als Lasttiere, um Burgbewohnern Waren zu bringen.
Im Mittelalter waren Esel besonders im heutigen Süddeutschland verbreitet und in Thüringen. Es gab einen stark gebauten «Thüringer Waldesel», der als Arbeitstier diente. Wegen seiner Genügsamkeit konnten sich auch ärmere Menschen einen Esel halten - für die Arbeit in Weinbergen, auf Feldern oder als Packtiere. Da ihre Milch sehr der menschlichen Muttermilch ähnelt, fungierten sie in Notfällen auch als eine Art Amme.