Meeresgetier Meeresgetier: Haie unter falschem Namen
Halle/MZ. - "Es kommen ständig neue Fischnamen auf den Markt", sagt Walther Werner Kühnhold von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei. Denn zunehmend kommen exotische Arten in die Kühltheken.
Doch bevor sie verkauft werden können, brauchen sie laut EU-Verordnung einen Handelsnamen. Zuständig für die Zulassung der Namen ist die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft. Fisch-Experten wie Kühnhold richten dann über die Vorschläge von Händlern und Fischindustrie. "Es kann sich nicht jeder einfach irgendwelche Fantasie-Namen ausdenken", sagt er.
Zunge auf dem Teller
Ein Beispiel für den Namenswechsel auf dem Weg vom Meer in die Kühltheke ist die Hundszunge (Glyptocephalus cynoglossus), die mit biologischem Zweitnamen Zungenbutt heißt. "Die hat die Handelsbezeichnung "Rotzunge", so Kühnhold. Denn wer will schon die Zunge eines Hundes auf dem Teller haben? Und so kann es vorkommen, dass sich dieser in der Auslage des Fischgeschäftes das Eis mit der echten Rotzunge (Microstomus kitt) teilt, die aber regional auch unter der Bezeichnung Limande firmiert.
Wo "Hunde" nichts zu suchen haben, müssen auch "Schlangen" draußen bleiben: "Schlangenmakrelen werden als Buttermakrele verkauft", verrät Kühnhold. Im Englischen heißen die Fische "Oilfish", weil sie so fettig sind. Aber die Übersetzung "Ölfisch" klingt in Zeiten der Low-Fat-Bewegung nicht gerade verkaufsfördernd. Also wird Öl hier zu Butter - und fertig ist die "Buttermakrele".
"Die Handelsnamen sind nicht nur Marketing-Gags", sagt Peter Werner Borris, vereidigter Sachverständiger für Fische, Krebs- und Weichtiere. "Sie ergeben sich auch aus der Form der Fische. Wenn ein Dornhai geköpft ist und die typischen Haiflossen entfernt wurden, bleibt ein schlanker Körper, der aalähnlich wirkt." Als "Seeaal" kommen die enthäuteten, geräucherten Rückenstücke des Dornhais dann in den Handel. Vom Dornhai sind auch die "Schillerlocken". Dahinter verbergen sich geräucherte, in Streifen geschnittene Stücke aus den Bauchlappen des Dornhais. "Vor dem Räuchern werden sie gedreht, so dass sie ihre Spiralform erhalten", erklärt Matthias Keller vom Fisch-Informationszentrum (FIZ). Der Umgang mit den beiden Dornhai-Produkten ist typisch für Haie: Die Raubfische, von denen viele Arten wegen Überfischung vor dem Aussterben stehen, tauchen nur selten als solche im Handel auf. Verkauft werden sie aber - als "Kalbs-", "Speck-" oder "Karbonadenfisch", als "Königsaal", "Steinlachs" und "Seestör".
Appetitliche Erfindung
Wie bei den Haien, wird dem Verbraucher auch beim beliebtesten Speisefisch der Deutschen, dem Alaska-Seelachs, nicht der wahre Name aufgetischt. Der mit dem Kabeljau - in der Ostsee: Dorsch - verwandte "Alaska-Seelachs" (Theragra chalcogramma) wird in Österreich als "Polardorsch" verkauft. Die Biologen nennen ihn dagegen Alaska-Pollack. Als der Seelachs aus der Nordsee knapp wurde, führten Händler den Fisch aus dem Nordpazifik vor 15 Jahren unter dem Namen "Alaska-Seelachs" nach Deutschland ein. "Die Kunden sollten denken: Ist ja fast dasselbe", meint Kühnhold.
Dabei ist schon der Name "Seelachs" für den Nordseefisch Pollachius virens eine Erfindung: "Der Seelachs heißt eigentlich wie unser Bundespräsident: Köhler", klärt Matthias Keller auf. "Der Fisch ist schwarz auf der Rückenseite. Wenn man den anfasst, bekommt man schwarze Hände." Das erklärt auch den englischen Namen Coalfish, zu deutsch: Kohlenfisch. Da klingt "Seelachs" appetitlicher.
Mitunter verbirgt sich hinter der Namensvielfalt auch Geschäftemacherei: Etwa dann, wenn dieselbe Art in demselben Geschäft zwei Namen hat, wie der Fischsachverständige Borris beobachtete: Da lagen die Filets des Rotbarsches (Sebastes marinus) mit richtigem Namen, daneben die gleichen Filets mit der Bezeichnung "Goldbarsch" - und dem edlen Namen entsprechend zwei Euro pro Kilo teurer.