1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Knigge für Kinder: Benimm-Training am Plastikhummer

Knigge für Kinder: Benimm-Training am Plastikhummer

Von Frank van Bebber 02.06.2008, 08:24

Hofheim/dpa. - Erstklässlerin Stella hat ihren ersten Führerschein bekommen, nicht für ein Fahrzeug, sondern für gutes Benehmen. «Man soll nicht schlürfen und rülpsen beim Essen», sagt die Siebenjährige.

Einen Samstagvormittag hat sie mit fünf anderen Grundschülern den Knigge-Kurs für Kinder der Volkshochschule des Main-Taunus-Kreises in Hofheim besucht. Elke Wolf (40), Trainerin für Umgangsformen, hat den Kurs hier und anderswo in Deutschland schon rund 200 Mal angeboten. Das Training der großen Manieren für kleine Menschen boome, «weil viele Eltern ziemlich unsicher sind».

Mutter Heike Neumann bringt Tochter Nathalie (7) am Morgen zum Benimm-Training, obwohl sie ihr Kind für eher brav hält. Doch als ehrenamtliche Helferin in einer Schule erlebt sie, wie respektlos Kinder sein können. Udo Schudrowitsch hat seine achtjährige Tochter Pauline angemeldet, «weil wir ein bisschen auf den Umgang achten». Nun lernen Pauline, Stella und Nathalie für 40 Euro, dass man höflich grüßt, sich beim Händedruck anschaut und sich am Telefon mit seinem vollen Namen meldet.

Es gehe um Höflichkeit, Rücksichtnahme und Respekt, sagt Wolf. Für die Lektion in Tischmanieren verteilt sie Teller, Besteck und Servietten zum Üben. «Man macht den Mund zu beim Essen», sagt die Trainerin. Und weil die siebenjährige Amelie das weiß, fragt sie empört: «Ich weiß gar nicht, wieso meine Mama mich hierher geschickt hat.» Doch dann startet Wolf ihren Ausflug in die Sitten höherer Kreise: Sie packt Attrappen für Schnecken und Plastikhummer aus. Bei der Kalkulation des Trinkgeldes für edle Restaurantbesuche verlieren die Kinder aber den Anschluss. 50 Cent schätzt Amelie, Stella tippt großzügig zwei Euro.

Beliebter ist in der Knigge-Schule das Aufschreiben verpönter Schimpf- und erwünschter Zauberwörter wie Danke und Bitte. Auf einem Rätselbild markieren die Kinder mit Buntstiften, wie ein Junge verbotenerweise mit Nudeln kleckert. Miriam übt an einem Telefon fleißig, sich höflich mit einer Freundin zu unterhalten, während Pauline schon formvollendet die Feuerwehr alarmieren könnte: «Bei uns brennt es, bitte kommen Sie.» Stella weiß: «Wenn die Lehrerin etwas sagt oder die Mama, muss man zuhören.»

Nach drei Stunden Theorie lädt Wolf ihre Schützlinge in ein Restaurant ein. Die Trainerin schaut zufrieden. Alle Servietten liegen auf dem Schoß, die Gabeln links. Keiner rülpst. Statt Hummer zaubern Spaghetti ein Lachen in die Gesichter. «Kinder nehmen manches leichter von einer fremden Person an als von den Eltern», berichtet Wolf, die im Alltag Firmen-Mitarbeitern Umgangsformen beibringt. Die Erwachsene diskutierten gerne über den Sinn der Regeln, während Kinder neugierig mitmachten.

Die Folgen des erfolgreich bestandenen Benimm-Führerscheins spüren die Eltern meist rasch in Form einer unerwarteten Lektion. Denn manche Mama und mancher Papa schmatzt selbst oder benimmt sich daneben. Stella will darum am heimischen Abendbrottisch Nachhilfe in Manieren erteilen und ihren Eltern einmal sagen, dass die Hände beim Essen nicht unter den Tisch gehören.

Weitere Informationen: www.agentur-profile.de