Klinik oder Geburtshaus: Schwierige Wahl
Storkow/dpa. - Ein Neugeborenes im Arm zu halten, ist ein unbeschreibbares Glück. In diesem Moment ist es wohl den meisten Müttern egal, wo sie sich gerade befinden. Doch vor der Geburt spielt diese Frage durchaus eine Rolle.
Soll das Kind zu Hause zur Welt kommen, in einem Geburtshaus oder im Kreißsaal eines Krankenhauses? Mit der Wahl des Ortes werden oft die Weichen dafür gestellt, wie die Geburt verlaufen wird. In Deutschland sind 98 Prozent der Geburten Klinikgeburten. «Es herrscht die Meinung vor, dass Kinderkriegen eine medizinische Sache wäre, bei der ein Arzt anwesend sein muss», sagt Anke Wiemer von der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG). «Eigentlich handelt es sich hierbei jedoch um einen ganz natürlichen Prozess.»
Eine normale Geburt gehört deshalb in den Zuständigkeitsbereich einer Hebamme. Der Gesetzgeber sichert jeder Frau das Recht auf Hebammenhilfe zu. Eine Hebamme darf eine Geburt allein leiten, sie muss nur bei ersten Anzeichen medizinisch relevanter Probleme einen Arzt rufen. Ein Arzt jedoch muss immer eine Hebamme im Team haben.
«Der Hauptgrund, warum Frauen in einer Klinik entbinden ist das Gefühl der Sicherheit durch Technik», sagt Giselind Berg, Medizinsoziologin an der TU Berlin. Falls etwas Unvorhergesehenes passiert, stehen in einer Klinik Ärzte, Geräte und ein Operationssaal bereit. Von zu Hause oder einem Geburtshaus aus, muss im Notfall erst ein Krankenhaus angefahren werden. Aus diesem Grunde lehnen Hebammen die außerklinische Betreuung ab, wenn es sich um eine Risikogeburt handeln könnte. Nur wenn ein normaler Geburtsverlauf zu erwarten ist, kann eine Frau ihr Kind außerhalb einer Klinik zur Welt bringen.
Peter Kentner gibt zu bedenken, dass gerade die Zeit der Geburt und ein paar Stunden danach, die gefährlichsten im Leben eines Menschen sind. «In ihnen kommt es statistisch zu den höchsten Verlusten und Schädigungen», sagt der Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in Thüringen. Bei den meisten Geburten sei ein Arzt vollkommen überflüssig, «aber eben nicht bei allen». Und auch wenn das Rettungswesen in Deutschland sehr gut sei, könne es bei einem Notfall trotzdem bis zu einer halben Stunde dauern, bis die Gebärende im Krankenhaus versorgt wird.
Einer der größten Unterschiede zur außerklinischen Geburt sind die Möglichkeiten der Krankenhäuser zur Schmerzlinderung. Im Geburtshaus wird zumeist auf Homöopathie, Akupunktur und Massagen gesetzt. «Wer in einem Krankenhaus entbindet, will oft die moderne Geburtsmedizin ausnutzen», sagt Oda von Rahden, Mitarbeiterin am Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen. Der Bund deutscher Hebammen prangert an, dass bei rund 90 Prozent aller Geburten routinemäßig Interventionen durchgeführt würden wie zum Beispiel Eröffnung der Fruchtblase. In Geburtshäusern oder bei Hausgeburten verzichteten Hebammen darauf.
Ein weiterer Unterschied liegt in den Dienstplänen im Krankenhaus. Bei langen Geburtsverläufen kann es sein, dass Schwangere von mehreren Hebammen und Ärzten nacheinander betreut werden. Auch in Geburtshäusern werde teilweise mit Schichtwechseln gearbeitet, sagt Anne Welteke, Hebamme im Geburtshaus Kassel, «mit dem Unterschied, dass Frauen, die dort entbinden, die Hebammen kennen».