Hinschauen: Vögel verstecken ihre Krankheiten
Oldenburg/Bonn/dpa. - Eigentlich ist nichts auffällig an der Szenerie im Käfig: Eben noch hat der Wellensittich auf seinem Zweig gesessen, nun macht er sich an den Körnern zu schaffen. Aber was ist das? Schon nach wenigen Sekunden wendet er sich vom Futter ab. Das wiederholt sich mehrere Male - und ist ein Signal dafür, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Und wie so viele Krankheitsanzeichen bei Vögeln ist es schwer zu erkennen. Genaues Hinschauen ist deshalb wichtig.
«Vögel können ihre Krankheiten meisterhaft verbergen», erklärt die Tierärztin Inken Sander, die in Oldenburg eine Vogelklinik betreibt. «Wir müssen sie genau beobachten.» Appetitlosigkeit ist oft ein Indiz dafür, dass Sittiche, Finken, Kanarienvögel oder Amazonen krank sind. Auch wenn sie lethargisch auf dem Boden sitzen, ist Vorsicht geboten.
Andere Vorboten sind klarer: «aufgeplustertes Gefieder, Durchfall, Augenausfluss oder Atemprobleme», sagt Sonja Kling, Tierärztin mit Schwerpunkt Vögel aus Berlin. Zeigt das Tier solche Symptome, kann Warten tödlich sein: «Vögel sind nicht so robust wie andere Tiere. Man sollte sofort den Tierarzt aufsuchen», rät Astrid Behr vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte in Frankfurt/Main.
Die wichtigste Grundlage, um Krankheiten vorzubeugen, ist eine gute Haltung. Mehrere Stunden Freiflug am Tag sind ratsam. «Sonst werden die Tiere träge und neigen zur Verfettung», sagt Inken Sander. Als Standort für den Käfig eignet sich ein ruhiger, heller Platz, an dem es nicht zieht.
Einmal pro Woche wird der Käfig sauber gemacht und die Einstreu gewechselt, zwei Mal die Trinkschale gespült. «Trinkwasser sollte jeden Tag ausgetauscht werden», sagt Kling. Das gilt auch für die Badestelle. Unsauberkeit führt schnell dazu, dass sich Pilze, Parasiten und Bakterien breit machen. Das Immunsystem wird durch die richtige Ernährung gestärkt. «Nicht nur Körner geben, auch Obst und Gemüse, Beeren wie die Vogelmiere oder Löwenzahn», rät Inken Sander.
Papageien, Amazonen und Kakadus, aber auch Sittiche rupfen sich vor Einsamkeit das Gefieder aus, wenn sie allein gehalten werden. «Das sind Schwarmtiere» sagt Astrid Behr. Mindestens ein Paar sollte zusammen leben. Hat sich ein Vogel Federn ausgerupft, ist er besonders empfindlich für Atemwegserkrankungen.
Lungenerkrankungen kommen generell oft vor bei Vögeln, sagt Dirk Schneegans, Tierarzt und Vogelexperte aus Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. «Häufig sind es Pilze wie der Aspergillus, der sich in den Luftsäcken festsetzt.» Immer wieder treten bei Hausvögeln auch Milben am Schnabel auf - zu erkennen an weißlich-grauem Belag. Meist lassen sie sich aber gut behandeln.
Gerade bei Nymphensittichen kommt nicht selten der Hormonhaushalt durcheinander. «Sie legen dann ständig Eier, was sie mit der Zeit auszehrt und schließlich zum Tod führen kann», erklärt Schneegans. Hier muss der Arzt mit Pillen eingreifen. Ebenfalls weit verbreitet sind Trichomonaden, vor allem bei Sittichen. Diese Parasiten befallen den Kropf und schwächen auf Dauer das Immunsystem. «Erkennbar sind sie, wenn der Vogel auffällig nach Fisch riecht», sagt Inken Sander.
Wer sich einen Vogel zulegt und schon einen besitzt, darf die beiden nicht gleich zusammen in den Käfig lassen, warnt Schneegans: «Um sicher zu gehen, dass keine Krankheit übertragen wird, sollte der neue Vogel sechs Wochen in Quarantäne leben», rät der Experte. «Erst danach kann das geordnete Paarleben beginnen.»