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Sehschwäche Sehschwäche: Orange und Grün werden zu Schattierungen von Gelb

Von MONA HOPPE 30.11.2008, 18:20

Halle/MZ. - Etwa acht Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen sind von einer angeborenen Rot-Grün-Farbenfehlsichtigkeit betroffen, sagt der Augenarzt Prof. Hermann Krastel aus Heidelberg. Wegen eines vererbten kleinen Webfehlers im Genmaterial liefern die Sinneszellen im Auge andere Informationen über Farbe ins Hirn als bei Normalsichtigen. Im Volksmund werden Betroffene oft als farbenblind bezeichnet. Tatsächlich kommt absolute Farbblindheit aber nur sehr selten vor.

Bekannt ist die Rot-Grün-Farbenfehlsichtigkeit schon lange. Im Englischen wird sie Daltonism genannt, nach John Dalton, einem englischen Physiker des 18. Jahrhunderts. Er war selbst davon betroffen und hat Farbenfehlsichtigkeit als einer der ersten beschrieben. Danach waren Orange, Gelb und Grün für ihn wie verschiedene Schattierungen von Gelb.

Dass Dalton tatsächlich an Farbenfehlsichtigkeit litt, konnten Wissenschaftler aber erst 150 Jahre nach seinem Tod belegen, erläutert Bernd Wissinger. Der Leiter des Molekulargenetischen Labors der Uni-Augenklinik Tübingen erforscht die genetischen Ursachen von Farbenfehlsichtigkeit. Eines von Daltons Augen war konserviert worden. Von diesem gelang es, die DNA zu extrahieren und das defekte Gen zu orten.

Himbeeren oder Brombeeren?

"Wir sehen nicht grau, wir sehen nur anders", sagt Fritz Buser, Optiker im schweizerischen Olten, der selbst rot-grün-fehlsichtig ist und in Deutschland Fachleute aus dem Sehbehindertenwesen unterrichtet. "Wenn ich mit meinem Sohn Beeren sammeln gehe, findet er mehr Himbeeren. Und ich erkenne eben die Brombeeren besser." Manche Farbenfehlsichtige unterscheiden Ocker-, Beige- und Braunfarbtöne sogar besser als Normalsichtige, sagt Krastel. Andere können die Farbe eines parkenden Autos zwar richtig benennen, verwechseln sie aber auf kleineren Flächen oder bei schlechter Sicht: "Es gibt auch eine Sehschärfe für Farbe."

Lackierer stoßen an Grenzen

Eingeschränkt fühlt sich Buser mit seinen Farbproblemen im Alltag kaum. "Die größte Einschränkung ist die Berufswahl." In der Tat sind Farbenfehlsichtige für bestimmte Berufe ungeeignet. Nicht nur Piloten, Kapitäne und Zugführer müssen Farbsignale sicher erkennen können, erläutert Krastel. Auch farbenfehlsichtige Grafiker, Drucker und Lackierer stoßen schnell an ihre Grenzen.

Heilbar oder korrigierbar ist Farbenfehlsichtigkeit nicht. Doch wer nach einer "Krücke" sucht, wird im Internet schnell fündig. Spezielle Linsen sollen die Rot-Grün-Schwäche durch Farbfilter ausgleichen. Tatsächlich verändern sie das Farbensehen, erklärt Krastel. Der Farbenfehlsichtige könne mit einer solchen Linse vielleicht die Farbtafel-Untersuchungstests bestehen, mache aber andere Fehler, die in den Untersuchungstafeln nicht abgefragt werden. "Das Problem wird also nur verlagert."

Umstrittene Filterbrillen

Und noch einen Schwachpunkt weisen diese Filterlinsen auf: "Wir passen unsere Farbwahrnehmung unterschiedlichen Beleuchtungen an, damit die Farbe als Gegenstandsmerkmal für uns konstant bleibt." Das gleiche geschehe mit der geänderten Beleuchtung hinter einer Filterbrille: "Dieser natürliche Mechanismus arbeitet einer Korrektur des Farbensehens durch die Filterbrille entgegen."

Die Experten raten deshalb dazu, sich mit der Farbenfehlsichtigkeit zu arrangieren. Auch ohne besondere Auffälligkeiten sollte ein Kind spätestens bei Schuleintritt getestet werden, um Benachteiligungen zu vermeiden.

Die Kosten für die Tests zum Bestimmen der Farbenfehlsichtigkeit werden laut dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen in Berlin übernommen. Ist eine Farbenfehlsichtigkeit diagnostiziert, heißt es, Erzieher und Lehrer zu informieren. Auch die Kinder selbst sollten um ihre Probleme wissen. Und im Alltag helfen kleine Tricks wie markierte Farbstifte.