Magersucht Magersucht: Krankes Idealmaß

Halle/MZ. - "Wir haben einezunehmende Zahl von Einweisungen. Diese Erfahrungenmachen auch andere Kliniken", sagt er. 60bis 70 junge Frauen werden in der Klinik proJahr stationär behandelt. Über 100ambulanteBehandlungen kommen hinzu. Aber auch Männergehören mittlerweile zu den Patienten.
Die Essstörungen Bulimie und Magersucht sind,auch wegen der in die Kritik geratenen Show"Germany’s next Topmodel", ein großes öffentlichesThema. Dabei, sagt Konzag, würden besondersdie bulimischen Essstörungen nicht erst seit
kurzem, sondern bereits seit Jahren zunehmen.Die Essstörungen sind dabei häufig ein Ausdrucktiefgehender psychosozialer Konflikte. DenGrund sieht er nur teilweise in einem neuenSchönheitsideal: "Es spielt auch das flächendeckendeTrommelfeuer der Medien eine Rolle, es sinddie permanenten Bilder von Superstars undModels", mit denen Mädchen und junge Frauenkonfrontiert seien. Die Zunahme der Erkrankungenweise auf einen erhöhten gesellschaftlichenDruck hin, so Konzag. Der eigene Wert werdesehr stark über das Äußerliche definiert.
Doch was verbirgt sich überhaupt hinter diesenEsstörungen? Der Begriff klingt harmloser,als die Wirklichkeit ist. Denn gerade beiMagersüchtigen ist die Sterblichkeitsratehoch: "Man muss dazu sagen, dass mehr alszehn Prozent der Betroffenen an den Folgensterben", so Konzag. Magersucht ist eine bewusstherbeigeführte Mangelernährung. Die Betroffenenhungern, haben extreme Angst vor dem Dickseinund empfinden auch die unterste Grenze desNormalgewichts als zu hoch. Häufig liegt einMissbrauch von Abführmitteln vor. "Eine klinischeMagersucht beginnt mit einem BMI unter 17,5".
Die betroffenen Mädchen und jungen Frauen- das Einstiegsalter liegt in der Pubertätbei 12 bis 17 Jahren - haben eine gestörteKörperwahrnehmung. Zusätzlich fehlt ihnendas Bewusstsein dafür, krank zu sein. "Sieempfinden es als positiv, die Nahrungsaufnahmekontrollieren zu können, schlanker zu seinals andere." Konzag bezeichnet Magersuchtaber auch als Hungerstreik. "Oftmals wirddie klassische weibliche Rolle mit ihren rundenFormen abgelehnt." Dr. Ute Hausmann, Chefärztinder Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatriedes Krankenhauses St. Barbara und St. ElisabethHalle, die auf Essstörungen spezialisiertist, sagt: "Das Mädchen blockiert die eigeneEntwicklung damit bewusst selbst."
Durch Hungern verändert sich auch der Körperdramatisch: Der Hormonstoffwechsel ändertsich, die Monatsblutung bleibt aus, das Herzschlägt langsamer, der Blutdruck und die Körpertemperatursinken, Ödeme - Wassereinlagerungen, wie mansie von Fernsehbildern hungernder Kinder inAfrika kennt - bilden sich. Häufige Todesursachensind Kreislaufversagen oder Infektionen, dieder geschwächte Körper nicht übersteht.
Anders bei der Bulimie. Die Ess-Brech-Suchtbleibt meist lange unerkannt. Die Betroffenensind nicht auffällig dünn, sondern normal-oder manchmal gar übergewichtig. Bulimie istgekennzeichnet durch Heißhungerattacken mitnachfolgendem Erbrechen. "Der ständige Gang zur Toilette kann aber auffällig sein",sagt Konzag. Nach den Fressanfällen dientdas selbst herbeigeführte Erbrechen der Kontrolledes Gewichts.
Diese Essstörung tritt meistbei jungen Frauen zwischen 18 und 35 Jahrenauf - das Einstiegsalter liegt höher als dasder Magersucht. Trotzdem ist es auch hierdas allgegenwärtige Schlankheitsideal, dieAngst den geforderten Normen nicht gerechtzu werden, das die Krankheit begünstigt. "GroßeMengen an Essen stehen symbolisch für Zuwendung,das Erbrechen im Nachhinein symbolisiert dannaggressive Impulse", erklärt Konzag. Bei Bulimieist es das wiederholte Erbrechen, das fürgesundheitliche Probleme sorgt: Zahnschmelzschädenetwa oder Entzündungen der Speiseröhre, diedurch Magensäure ausgelöst werden. Auch Herzrhythmusstörungenund Muskelschwäche können auftreten.
Für die Betroffenen ist es jedoch ein schwererWeg, die Essstörung zu überwinden. Alleinoder mit Hilfe von Freunden und Verwandtenist das unmöglich: "Man braucht professionelleHilfe, je früher desto besser", sagt Konzag."Viel zu oft kommen die Betroffenen viel zuspät." Dann haben sich Persönlichkeitsstrukturenbereits verfestigt, die Therapeuten habenes schwerer, zum Patienten vorzudringen.
Trotzdem: "Bei 80 Prozent der Behandeltenerzielen wir Erfolge mit einer stationärenBehandlung, an die sich eine ambulante Langzeittherapieanschließt." Dabei erlernen die Frauen Gegengewichtezu den eigenen Verhaltensweisen zu schaffen,Aggressionen anders abzubauen. Der erste Schrittdorthin ist gar nicht schwer: "Ein guter Wegführt zum Hausarzt", so Konzag. Auch Ute Hausmannrät dringend, die Hilfe eines Arztes in Anspruchzu nehmen. "Am besten ruft man bei den Ambulanzender Spezialkliniken an."