Teil 27: Interview zu Raucherlunge Interview mit Lungenarzt Dr. Ralf Heine zu Raucherlunge: Wenn die Luft knapp wird

Halle (Saale) - Ich habe selbst einmal geraucht, und zwar ziemlich viel“, räumt der Lungenarzt Dr. Ralf Heine unumwunden ein. Fast zehn Jahre lang habe er dem Laster gefrönt, sagt der Chefarzt der Medizinischen Klinik III am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle. Dann zog er einen rigorosen Schlussstrich. Seit etwa 15 Jahren ist er wieder Nichtraucher. Die Folgen des Rauchens, die sieht er aber in seiner tagtäglichen Arbeit.
Welche Lungenkrankheiten können durch das Rauchen entstehen?
Heine nennt zwei große Krankheitsgruppen, die vor allem durch das Rauchen bedingt sind. Zum einen ist es der Lungenkrebs. Zum anderen die chronische Bronchitis, auf deren Boden mitunter eine COPD, eine chronisch-obstruktive Bronchitis, entsteht. „Bei der chronischen Bronchitis leidet der Patient unter Husten mit schleimigem Auswurf“, erklärt der Arzt. Bei der COPD komme es zusätzlich zu einer Einengung der Atemwege, die mit Luftknappheit einhergehe.
Heine verweist darauf, dass 90 Prozent der Lungenkrebsfälle bei Männern auf das Rauchen zurückgeführt werden können. Bei den Frauen seien es 60 bis 70 Prozent. Auch bei der COPD sei der Zusammenhang zum Rauchen eindeutig belegt. „Es gibt ganz wenige Patienten, die nicht geraucht haben und trotzdem eine COPD bekommen.“
Was atmet der Raucher mit jeder Zigarette ein?
„Beim Rauchen werden in hoher Konzentration Schadstoffe eingeatmet“, sagt Heine. Es gehe nicht nur um das Nikotin, das lange Zeit als eine Substanz galt, die zwar Suchtpotenzial hat, aber ansonsten unschädlich ist. Jetzt werde darüber diskutiert, dass auch das Nikotin selbst Lungenkrebs verursachen könnte, fügt der Pneumologe hinzu. Zweifelsfrei bewiesen sei das noch nicht. Im Gegensatz zu anderen Stoffen im Tabakrauch. Heine nennt beispielsweise Formaldehyd, bekannt als Konservierungs- und Desinfektionsmittel, oder radioaktives Polonium. Auch Blei, Arsen oder Ammoniak sind im blauen Dunst enthalten.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum geht davon aus, dass mit dem Tabakrauch 5 300 Substanzen eingeatmet werden, von denen zahlreiche giftig und krebserzeugend sind.
Wie wirkt sich Tabakrauch auf die Atmungsorgane aus?
„Schon durch die direkte Einwirkung dieser Substanzen kann Lungenkrebs entstehen“, sagt Heine. Hinzu komme aber noch etwas anderes: Das Einatmen von Tabakrauch führt zu einer Reizung der Atemwege. Es kommt zu chronisch-entzündlichen Prozessen. „Und diese sind immer mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden“, betont der Mediziner.
Spielt es eine Rolle, was geraucht wird?
„Jegliches inhalative Rauchen kann zu den genannten Lungenerkrankungen führen“, sagt Heine. Egel ob Zigaretten, Zigarren, Pfeife, Selbstgedrehte oder Filterzigaretten. Selbst die E-Zigarette hält der Arzt nicht für unbedenklich. Er verweist auf ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, in dem es heißt, dass noch gar nicht genau bekannt sei, welche Folgen das Verdampfen des Polyethylenglykols, das übrigens auch bei Pop-Konzerten oder gelegentlich im Theater Dampf erzeugt, habe. Es könne durchaus zu Reizungen der Atemwege führen.
Ist ausschlaggebend, wie viele Zigaretten jemand pro Tag raucht?
Das kommt darauf an, wie viele Packungsjahre ein Raucher aufzuweisen hat. Heine erklärt: „Die Mediziner sprechen von einem Packungsjahr, wenn jemand das ganze Jahr lang täglich eine Packung Zigaretten - 20 Stück - raucht.“ Rauche jemand nur zehn Zigaretten am Tag, brauche er zwei Jahre, um auf ein Packungsjahr zu kommen. Je mehr Packungsjahre zusammenkommen, desto höher ist das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. „Viele unserer Patienten blicken auf mehr als zehn Packungsjahre zurück“, fügt er hinzu.
Wie gefährlich ist das Passivrauchen?
„Das Passivrauchen ist mindestens genauso gefährlich wie das aktive Rauchen“, betont der Arzt.
Welche Anzeichen deuten beim Raucher auf eine Lungenerkrankung hin?
Heine nennt den bekannten Raucherhusten, der ein wichtiges Zeichen für eine COPD sein könne. Er frage seine Patienten immer, ob sie unter Husten mit Auswurf litten. Die Antwort laute oft: Ja, normal. „Aber normalerweise hat man so etwas nicht“, betont der Lungenspezialist. Der Raucherhusten sei nichts anderes als Ausdruck der chronischen Bronchitis.
Beim Lungenkrebs, der meist ab dem 50. Lebensjahr auftritt, komme es darauf an, wo dieser sitze, sagt der Arzt. An der Lungenperipherie könne er lange Zeit unbemerkt bleiben. Wenn er sich zentral in den großen Atemwegen eingenistet habe, dann führe das relativ zeitig zu Husten, zu Infektionen, zu wiederholten Lungenentzündungen an der gleichen Stelle - verbunden mit Fieber und blutigem Auswurf. Kämen dann noch Gewichtsabnahme und Schmerzen hinzu, dann sei es meistens schon zu spät. „Nur etwa 25 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs werden in einem frühen Stadium diagnostiziert“, sagt Heine. Er rät allen: Wenn Husten länger als drei Wochen anhält, dann muss unbedingt abgeklärt werden, woher er kommt.
Lohnt sich ein Rauch-Stopp zu jeder Zeit?
„Ein Rauch-Stopp lohnt sich immer“, sagt Heine. Bei der COPD könne zwar die Einengung der Atemwege nicht mehr rückgängig gemacht werden, aber ein Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden.
Was den Lungenkrebs angeht, so könne das Risiko, daran zu erkranken, wieder vermindert werden. „Nach zehn rauchfreien Jahren ist das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, fast so niedrig wie bei jemandem, der nie geraucht hat“, unterstreicht der Mediziner. Und selbst bei vorhandenem Lungenkrebs verbessert sich durch einen Rauch-Stopp die Prognose.
Bei seinen Patienten hat er ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Es gibt Patienten, die nach der Diagnose COPD oder Lungenkrebs schlagartig aufhören zu rauchen“, sagt er. Es gebe aber viele, die es nicht lassen könnten.
Er berichtet im Falle der COPD von einer neuen Behandlungsmethode, bei der die Atmung durch den Einbau kleiner Ventile in die Bronchien verbessert werden könne. Abgesehen davon, dass diese Methode aus medizinischen Gründen nicht bei allen Patienten infrage käme, werde sie bei hartnäckigen Rauchern nicht angewendet. „Zum einen ist unklar, wie sich das Rauchen auf die Ventile auswirke, zum anderen, sei sie sehr teuer“, erklärt Heine. Fünf Ventile würden in der Regel benötigt. Jedes koste 2 000 Euro. „Wer eine solche teure Therapie bekommt, der muss schon irgendwie mitwirken“, betont der Mediziner. (mz)