Iatrophobie Iatrophobie: Was hilft gegen die Angst vor dem Arzt?

Wohl kaum jemand geht ausgesprochen gerne zum Arzt. Bei einem kleinen Prozentsatz löst schon die Vorstellung, zum Arzt zu müssen, Panikattacken aus. Die Betroffenen bekommen Atemnot, Herzrasen, weiche Knie und Schweißausbrüche. Im Kopf machen sich Katastrophenszenarien breit. „Ein Patient, der an einer solchen Angststörung leidet, fürchtet zum Beispiel, sein Herzrasen könnte einen Herzinfarkt verursachen“, erklärt die Psychologin Ines von Witzleben. Daraus folgt oft eine Vermeidungshaltung, der Betroffene geht einfach nicht mehr zum Arzt.
Schlechte Arzterfahrung als Kind
Das kann schlimme Folgen haben. Vor allem Zahnärzte kennen das Problem, dass Patienten aus Angst der Praxis fernbleiben und dringend anstehende Behandlungen verschleppen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Deutschen bleiben Schätzungen zufolge dem Zahnarzt oft Jahre fern. In dieser Zeit ertragen die Betroffenen nicht nur starke Schmerzen. Sie schämen sich für Mundgeruch und schlechte Zähne, halten beim Lachen die Hand vor den Mund, ziehen sich aus der Gesellschaft zurück und entwickeln nicht selten eine soziale Phobie.
Neben dem sozialen Abseits kann das Fernbleiben die Gesundheit erheblich schädigen. Entzündungen im Mundraum können auch chronische Schmerzen in Kopf und Kieferraum verursachen und sogar zu einem Herzinfarkt führen.
Oft aber nicht immer steckt eine schlechte Arzterfahrung in der Kindheit hinter Angst vor dem Arzt. „Die eine Ursache gibt es eigentlich nicht“, sagt Angst-Expertin von Witzleben. Zwar liege oft ein Erlebnis in jungen Jahren zugrunde, zum Beispiel eine besonders schmerzhafte Zahnbehandlung. Daneben gebe es aber auch biologische Varianten. Etwa eine erhöhte Sensibilität für körperliche Symptome wie Herzrasen. Angststörungen in der Familie oder schwierige Lebensereignisse können Iatrophobie ebenfalls mitverursachen.
Phänomen Weißkittelhypertonie
Auch ist der Arzt nicht der eigentliche Auslöser. Die Angst vor dem Mann oder der Frau in Weiß kann genauso die Angst vor Spritzen oder vor Blut sein und dazu führen, dass Betroffene beim Anblick von Blut oder nach einer Spritze in Ohnmacht fallen. Andere haben Panik vor einer schlechten Diagnose oder vor den Schmerzen bei der Behandlung.
Dennoch kann das Image des Arztes als Autorität im weißen Kittel eine Rolle spielen. Es gilt als erwiesen, dass der Stress eines Arztbesuches Blutdruckmessungen beeinflusst. „Etwa zehn Prozent der Bevölkerung haben beim Arzt einen höheren Blutdruck als wenn sie diesen zu Hause messen“, erklärt Franziska Einsle von der TU Dresden. Die Psychologin hat das Weißkittelhypertonie genannte Phänomen an mehr als 300 Patienten untersucht und festgestellt: Diese Gruppe hat Angst vor der spezifischen Situation beim Arzt. „Die Untersuchung hat ergeben, dass häufig Menschen betroffen sind, die unter sozialen Ängsten leiden, generell unsicher sind, sich oft nicht trauen, dem Arzt oder der Ärztin zu widersprechen“, sagt Einsle.
Situation beim Arzt annähern
Ist die Hemmschwelle, einen Arzt aufzusuchen, bereits so groß, dass Patienten diese Hürde aus eigener Kraft nicht mehr nehmen können, kann eine Verhaltenstherapie bei einem Psychotherapeuten helfen. „Dabei geht es darum, die eigenen Befürchtungen zu überprüfen und sich der Situation beim Arzt langsam anzunähern anstatt diese zu vermeiden“, erklärt Ines von Witzleben. In mehreren Schritten sitzt der Angstpatient dann zum Beispiel zunächst nur im Wartezimmer und beim nächsten Mal ohne Untersuchung im Behandlungsstuhl. So lernt der Betroffene: Ich sterbe nicht und ich falle auch nicht in Ohnmacht.
Bei akuten Beschwerden bleibt nicht die Zeit für die langfristige Therapie. In solchen Fällen helfen manchmal nur Beruhigungsmittel bis hin zu einer Vollnarkose, damit Patienten die dringend anstehende Behandlung über sich ergehen lassen. Nicht wenige Zahnärzte haben sich mittlerweile auf Angstpatienten eingestellt und bieten eine Behandlung unter Hypnose an. Oder sie setzen auf Lachgas. Das Gas wirkt beruhigend, dämpft den Schmerz und auch der Würgereiz nimmt ab, der Patient bleibt aber ansprechbar.
